Klimawandel:Flucht in die Berge

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Tiere und Pflanzen der Tropen sind zwar hitzeerprobt - doch durch den Anstieg der Temperaturen sind viele trotzdem bedroht.

Tina Baier

Gunnar Brehm hat eine einfache aber wirksame Methode, Beute zu machen. Nach Sonnenuntergang knipst der Insektenforscher mitten im tropischen Regenwald ein Licht an. Es dauert nur Sekunden, bis von überall her Insekten anschwirren und sich rund um das Licht niederlassen.

Mit Licht und Laken fängt Gunnar Brehm Insekten. (Foto: Foto: Gunnar Brehm)

Brehm braucht die Nachtfalter der Familie der Spanner, auf die er sich spezialisiert hat, nur noch einzusammeln. 14000 Exemplare aus 739 Arten hat er in 80 Nächten auf dem Vulkan Barva im Norden Costa Ricas gefangen. Seine Daten sind Teil eines Forschungsprojekts, dessen Ergebnisse an diesem Freitag in der Zeitschrift Science (Bd.322, S.258, 2008) veröffentlicht werden.

Die beteiligten Wissenschaftler haben Informationen über mehr als 2000 Pflanzen- und Insektenarten gesammelt. Mit Hilfe eines mathematischen Modells berechneten sie, wie sich eine Erwärmung von 3,2 Grad Celsius, die der Weltklimarat für die Region in den nächsten 100 Jahren vorhergesagt hat, auf diese Organismen auswirken würde.

Das Ergebnis widerspricht der bisherigen Vorstellung, wonach ein Anstieg der Temperaturen auf die hitzeerprobte Tier- und Pflanzenwelt der Tropen kaum Auswirkungen hätte. "Mehr als die Hälfte der Arten im Tiefland wäre bedroht", sagt Brehm.

Eine Flucht in kühlere Gegenden nach Norden oder Süden ist in den Tropen aussichtslos, weil es dort über Hunderte von Kilometern gleich heiß ist. "Der einzige Fluchtweg geht den Berg hinauf", sagt Brehm. 600 Höhenmeter müssten Tiere und Pflanzen überwinden, um die prognostizierte Erwärmung auszugleichen.

Dass Lebewesen in den Tropen tatsächlich auf diese Weise versuchen, den Auswirkungen des Klimawandels zu entkommen, zeigt eine zweite Untersuchung, ebenfalls in Science (S.261). Die Verfasser vergleichen die Verbreitung von 28 Säugetier-Arten im Yosemite National Park in Kalifornien mit Daten von vor etwa 100 Jahren.

Die Hälfte der Tiere, wie zum Beispiel die Zwergmaus, haben ihren Lebensraum seit damals um durchschnittlich 500 Höhenmeter nach oben ausgedehnt. "Doch nicht alle werden es schaffen auszuweichen", sagt Brehm. Die Fluchtwege sind oft durch Felder oder abgeholzte Gebiete abgeschnitten. Und selbst wenn vielen Organismen die Flucht nach oben gelänge, würden die Regenwälder im Tiefland artenärmer.

Anders als in Deutschland, wo sich bei einem Temperaturanstieg Tiere und Pflanzen aus dem Mittelmeerraum ansiedeln könnten, gibt es in den Tropen niemanden, der nachrücken kann: Lebewesen, die an noch größere Hitze angepasst sind, existieren nirgendwo auf der Erde.

© SZ vom 10.10.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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