Klimawandel:Ahnungslos im Orbit

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Klimaforscher wissen zu wenig darüber, wie sich das Treibhausgas Kohlendioxid in der Atmosphäre verteilt. Nun fordern sie mehr Satelliten zur Erdbeobachtung.

Alexander Stirn

Kohlendioxid befeuert bekanntlich den Klimawandel. Doch wie sich das Treibhausgas in der Erdatmosphäre verteilt, ist erstaunlich wenig bekannt - vor allem aussagekräftige Daten aus dem Weltraum fehlen den Klimaforschern.

Das Orbiting Carbon Observatory (OCO) ist der erste Kohlendioxid-Messsatellit. (Foto: Foto: Nasa/JPL)

Am heutigen Dienstag soll sich das ändern: Die US-Raumfahrtbehörde Nasa will das Orbiting Carbon Observatory (OCO), den ersten CO2-Messsatelliten, in eine Erdumlaufbahn schicken.

Obwohl auch dieses Observatorium den beteiligten Wissenschaftlern noch nicht genügt - "wir haben damit noch immer kein vernünftiges Klimabeobachtungssystem", kritisiert Nasa-Klimaforscher Bruce Wielicki - , wird OCO einige wertvolle Daten liefern.

Mindestens zwei Jahre lang soll die Sonde den Planeten auf einer polaren Umlaufbahn umkreisen und dabei alle 16 Tage die gleichen Regionen der Erde überfliegen. Während dieser gut zwei Wochen kommen mehr als acht Millionen Messdaten zusammen, die anschließend mit den Werten des vorherigen Überflugs verglichen werden können. Davon erhoffen sich die Forscher Hinweise auf die dynamische Entwicklung der CO2-Konzentration in der Luft.

Diese ist einem ständigen Wechsel unterworfen. Knapp 7,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von CO2 gelangen im Laufe eines Jahres durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre, etwa die Hälfte davon baut die Natur selbst wieder ab.

Doch wo und wie das im einzelnen geschieht, ist weitgehend unbekannt - irdische Messstellen, aber auch der vor einem Monat gestartete japanische Treibhausgas-Satellit Ibuki, liefern hierzu nur ein unvollständiges Bild.

Der knapp 275 Millionen Dollar teure OCO soll die Kohlendioxid-Konzentration in Bodennähe mit bislang nicht gekannter Genauigkeit vermessen. "Auf diese Weise kann der Satellit erstmals irdische Kohlendioxid-Quellen und Senken identifizieren und etwaige Veränderungen im Verlauf eines Jahres erkennen", sagt James Gleason, Atmosphärenforscher am Goddard Space Flight Center der Nasa. Das soll genauere Vorhersagen zur Verteilung des Gases möglich machen - und letztlich auch bessere Klimaprognosen.

Voraussetzung ist allerdings, dass auch andere Erdbeobachtungssatelliten verlässlich Daten liefern und rechtzeitig ersetzt werden. Danach sieht es aber nicht aus. "Für die Satelliten, die heute im Orbit sind, gibt es keine einzige Nachfolgemission", klagte Thomas Ackerman von der Universität Washington kürzlich beim Jahrestreffen des amerikanischen Wissenschaftlerverbandes AAAS in Chicago. Dies sei gravierend, weil von den ersten Planungen bis zum Start eines neuen Satelliten gut zehn Jahre vergehen.

Ohne klare Linie

Die Folgen für die Forschung könnten schon bald spürbar sein. "Bei der Beobachtung der Ozeane aus dem Weltall haben wir ein 15 Jahre zurück reichendes Klimaarchiv aufgebaut", sagt Kathryn Kelly, Meeresforscherin an der Universität Washington. "Diese Kontinuität ist nun in Gefahr."

So hat das Seawifs-Instrument, das 1997 ins All gestartet wurde und seitdem den Planktongehalt in den Weltmeeren misst, seine geplante Lebensdauer längst überschritten. Ohne Seawifs können die Messgeräte später gestarteter Satelliten aber nicht geeicht werden.

"Eigentlich müssten wir neue Satelliten ins All bringen, bevor die alten sterben", sagte Kelly in Chicago, "doch nach 2010 hat die Nasa nicht eine einzige ozeanographische Mission genehmigt." Angeblich fehlt das Geld.

Bruce Wielicki sieht weniger ein finanzielles Problem, sondern falsch gesetzte Prioritäten. "Wir haben keine Klimaagentur", klagt der Nasa-Forscher. "Sowohl bei der Weltraumbehörde als auch bei der Wetterbehörde NOAA steht Klima immer erst an zweiter oder dritter Stelle." Köpfe, Budgets und Prioritäten veränderten sich fast jährlich.

Letztlich helfe nur eine langfristige Vision und ein internationales Abkommen zum Aufbau eines Klimabeobachtungssystems. "Nur dann", sagt Wielicki, "werden die einzelnen Staaten die nötigen Schritte unternehmen - und sich auch an ihre Versprechungen halten."

© SZ vom 24.02.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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