Klimakonferenz in Nairobi:Das neue Klima

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Ausgerechnet die Industrie hebt das Thema Klimaveränderung immer häufiger auf die Tagesordnung. Doch sie verfolgt nur kurzfristige Ziele - langfristiger Schaden für Mensch und Umwelt wird nicht ausgeschlossen.

Michael Bauchmüller

Konnte ja niemand ahnen, diese Dürre. Konnte niemand vorhersehen, dass in Ostafrika die Regenzeit mal eben ausbleiben würde, wenige Monate vor der zwölften großen Klimakonferenz in Kenias Hauptstadt Nairobi. Dass im Frühjahr drei Millionen Kenianer hungern würden, Äcker verdorren, das Vieh reihenweise verenden sollte.

Konnte auch keiner ahnen, dass 2005, als erstmals eine Klimakonferenz in Nordamerika stattfand, eine Millionenstadt wie New Orleans mal eben absaufen würde, dass so viele Wirbelstürme den Kontinent heimsuchen würden wie seit Beginn der Wetterchronik nicht. Als wollte das Weltklima seinen Wandel rechtzeitig zu Klimagipfeln noch mal allen beweisen.

Wie eine gewaltige Unwetterfront braut sich der Treibhauseffekt über der Erde zusammen. Wenn sich von Montag an die 189 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonventionen zu ihrem jährlichen Gipfel treffen, ist er spürbarer denn je. Der Klimawandel findet sich in den Skigebieten, die Jahr für Jahr mehr Kunstschnee verschleudern müssen.

Er taucht in der deutschen See auf, wo der Kabeljau knapp wird, dafür aber die ersten Doraden in den Netzen landen. Er zeigt sich in Hungergebieten Afrikas und amerikanischen Städten wie Seattle, deren Trinkwasserreservoirs sich nicht mehr füllen. Grönlands Eisdecke schmilzt, und der sibirische Permafrostboden verdient bald den Namen nicht mehr. Er taut.

Selbst notorische Zweifler melden sich inzwischen nur noch verschämt zu Wort. Es gebe da, heißt es dann, ein Kartell der Wissenschaft, in dem Forscher gemeinschaftlich Panik schürten. Eine verwegene Theorie: Es wäre das größte Kartell aller Zeiten, eine Art Weltverschwörung der Wissenschaft. Sicher, niemand muss anerkennen, dass es einen von Menschen gemachten Klimawandel gibt. Gerne wird er in das ständige Auf und Ab der Erdtemperatur eingeordnet.

Und klar: Auch Dürren hat es immer schon gegeben. Es gehört aber reichlich Ignoranz oder eine verdammt selektive Wahrnehmung dazu, den Zusammenhang zwischen einer gefährlich steigenden Temperaturkurve und wachsenden Treibhausgas-Emissionen einfach zu übersehen.

Die Einsicht reift

Einsicht ist mitunter ein zäher Prozess, der sich oft langsamer vollzieht als der Klimawandel. Namentlich eine komplette US-Regierung tut sich schwer damit, den Treibhauseffekt in seiner Tragweite anzuerkennen. Das macht es so bemerkenswert, dass ein Republikaner wie Arnold Schwarzenegger sich zum Umweltapostel aufschwingt, dass sich eine um die andere amerikanische Stadt von ihrer Regierung abwendet und ihre ganz eigenen Klimaziele verfolgt, dass sich ein knappes Dutzend US-Bundesstaaten einem Handel mit Treibhausgas-Zertifikaten unterwerfen wollen. Das Klima wandelt sich, aber ganz anders als erwartet.

Verwirrenderweise hebt ausgerechnet die Wirtschaft das Thema zunehmend auf die Tagesordnung. Energiekonzerne sponsern Klimakongresse und geben Sondervorstellungen von Al Gores Wachmacher-Film "Eine unbequeme Wahrheit". Ölmultis wie BP werfen sich ein grünes Mäntelchen um und suchen nach Wegen aus der Kohlenstoffwirtschaft. Und der weltgrößte Konzern General Electric macht urplötzlich "Ecomagination" zu seinem grünen Leitbild.

Da sind keine Gutmenschen am Werk. Die Industrie verfolgt wie eh kurzfristige Ziele, langfristiger Schaden für Mensch und Umwelt nicht ausgeschlossen; Unternehmen sind schließlich nicht der Welt verpflichtet, sondern Eigentümern. Doch der rapide Klimawandel kehrt zunehmend das unternehmerische Kalkül um: Die Ökologie steht der Ökonomie nicht mehr unbedingt im Weg. Ökologie und Klimaschutz könnten schon sehr bald der Weg zum Gewinn sein.

Wenn der einstige Weltbank-Chef Nicholas Stern mit seiner Analyse für die britische Regierung nur ansatzweise recht hat, dann ist vorbeugender Klimaschutz schlicht alternativlos. Nichtstun, so hat Stern Anfang der Woche vorgerechnet, mag in der Gegenwart billig sein. In der Zukunft aber könnte es die Weltwirtschaft jährlich bis zu 20 Prozent ihrer Leistung kosten. Sterns Botschaft ist einfach: Was die Welt heute in den Klimaschutz investiert, bekommt sie vielfach verzinst zurück. Wer ein undichtes Dach hat, wartet mit der Reparatur ja auch nicht, bis das Gebälk verfault ist.

Alles geht viel zu langsam

Die Konferenz in Nairobi hat gute Bedingungen, eine Wende in der Klimapolitik einzuleiten. Sie kann, sie muss den Weg bahnen für eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls. Afrika ist der richtige Ort, um auch Entwicklungs- und Schwellenländer ins Boot zu holen. Und die Hoffnung wächst, dass selbst der Klimaschänder USA einem neuen Abkommen beitreten könnte, wenn erst andere in Washington am Ruder sind.

Gemessen an diesen Erwartungen freilich wird auch dieser Gipfel enttäuschen; es geht alles viel zu langsam, zumal die klimaschädlichen Emissionen weiter anschwellen - trotz Kyoto-Abkommen der Industrieländer. In der Weltgemeinschaft bleibt der Fortschritt eben eine Schnecke, und der Klimaschutz ist wie auf den Kopf gestellt: Während die Wirtschaft seine Brisanz entdeckt, handeln die Staaten erst mal aus, was genau sie aushandeln wollen.

Auf Deutschland lasten in dieser Lage besondere Hoffnungen. Der Himmel will es so, dass die bekennende Klimaschützerin Angela Merkel schon in zwei Monaten der Europäischen Union und dem Industrieländer-Club G8 vorsitzen wird. Im kommenden Sommer wird sie mit den widerspenstigen Industrieländern USA und Kanada darüber sprechen können, wie sie sich den Ausweg aus der Klimafalle vorstellen.

Und wichtiger noch: Als EU-Ratspräsident kann Deutschland den übrigen Mitgliedsländern eine Klimaschutz-Zusage für die Zeit nach 2012 abringen. Nur so wird der Klimaschutz an Fahrt gewinnen - da doch alle beteiligten Staaten stets als Allererstes wissen wollen, was denn eigentlich die anderen machen, um das Klima zu schützen.

Deutschland, ganz Europa muss Vorreiter bleiben schon aus eigenem Interesse. Wenn es stimmt, dass es einen Klimawandel gibt, der unser Leben bedroht, und wenn es stimmt, dass sich dieser Klimawandel bremsen lässt, dann ist der Klimaschutz, so eigenartig es klingt, ein Zukunftsmarkt, vielleicht der Zukunftsmarkt.

Eine Abkehr von klimaschädlichen Kohlenstoffen würde die Welt auf einen anderen Pfad heben, der andere Technologien für Energieerzeugung, Verkehr, industrielle Produktion nötig macht. Genau das treibt vorausschauende Multis zum Klimaschutz. Nicht nach neuen Technologien zu suchen, hätte im 19. Jahrhundert bedeutet, auf den Aufbau von Eisenbahnen zu verzichten, weil es doch schon Kutschen gab. Und übrigens: Für Länder wie Deutschland und Großbritannien begann mit der Dampflokomotive der Boom der Gründerzeit.

Mehr Mut zum anderen, zum sauberen Pfad und ein neuer Pakt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, das wären die besten Antworten auf den Klimawandel, die Nairobi geben kann. Es geht nicht nur um Geld: Die Welt, die wir versauen, müssen noch andere bewohnen.

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