Klimabilanz 2008:Extreme weltweit

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Zu trocken und im Schnitt 1,7 Grad zu warm - 2008 reiht sich ein in die sieben wärmsten Jahre seit 1901. Beängstigend: Fünf davon fallen in das neue Jahrtausend.

Christopher Schrader

Kurz vor Jahresende beginnt für Meteorologen das große Rechnen. Nicht nur, weil Menschen wissen wollen, ob es weiße Weihnachten geben wird, sondern vor allem, um das Wettergeschehen mit anderen Jahren zu vergleichen. In diesem Jahr lautet die Bilanz: 2008 war insgesamt etwas kühler als die Jahre davor, aber immer noch eines der zehn wärmsten seit Wetterdaten aufgezeichnet werden. Es gab in diesem Jahr viele Extreme weltweit, warme Winter, Hitzewellen im Sommer und erschreckend wenig Eis.

Unsicher sind sich die Experten noch, ob uns eine weiße Weihnacht erwartet. 2008 war bis jetzt warm und trocken. (Foto: Foto: dpa)

In Deutschland war es nach Messungen des Deutschen Wetterdienstes DWD in diesem Jahr bislang durchschnittlich 9,8 Grad Celsius warm. Das liegt nur knapp unter dem Rekordwert von 9,9 Grad, der im Jahr 2000 erreicht wurde, aber für die letzten zwei Wochen erwarten die Meteorologen eher kaltes Wetter. Das dürfte den Schnitt einige Zehntel senken, "am Ende wird 2008 wohl das viert- bis siebtwärmste Jahr gewesen sein", sagt DWD-Sprecher Gerhard Lux. Es war zudem eher trocken, weil nur 93 Prozent der üblichen Regenmenge gefallen sind, und mit bisher 1599 Sonnenstunden etwas sonniger als im Mittel. Vor allem Januar, Februar, Mai und Juli waren deutlich wärmer, April und September dagegen eher kühl. Die höchste Temperatur wurde am 2. Juli im rheinland-pfälzischen Bendorf gemessen: Dort zeigte das Thermometer 36,4 Grad.

Kühlendes "La-Niña-Phänomen"

Global betrachtet dürfte 2008 nach vorläufigen Zahlen der Meteorologischen Weltorganisation (WMO) und des britischen Wetterdienstes Met-Office auf Platz zehn landen. Es war im Durchschnitt 14,3 Grad warm. Die Abkühlung gegenüber 2007 erklärt Phil Jones von der University of East Anglia in Norwich mit dem "La-Niña-Phänomen" im Pazifik, das die Luftzirkulation verändert und alle paar Jahre zu einer Abkühlung der gesamten Erde führt. Jones widerspricht der Vermutung, wonach der Trend der globalen Erwärmung gebrochen sein könnte. "Seit 2001 gehören sämtliche Jahre zu den zehn wärmsten in der Statistik", sagt er. "Im globalen Durchschnitt sind sie 0,2 Grad wärmer als die 1990er-Jahre", zu denen immerhin das Rekordjahr 1998 zählt. Ähnlich sieht es die amerikanische Wetterbehörde Noaa. Weil sie Satellitendaten aber etwas anders aufbereitet als es Jones für die WMO tut, sehen die Amerikaner 2005 als das wärmste Jahr; 2008 landet demnach voraussichtlich auf Platz neun.

Auf beiden Halbkugeln der Erde registrierten die Meteorologen der WMO ungewöhnliche Winter: In Brasilien, Paraguay und Argentinien war es im dortigen Wintermonat Juli drei Grad wärmer als im Mittel. In Skandinavien zeigte das Thermometer im Winter 2007/2008 sogar teilweise sieben Grad mehr als gewöhnlich an - dort war es der wärmste Winter seit Beginn der Aufzeichnungen. Dafür erlebte die Türkei im Januar die kältesten Nächte seit 50 Jahren. Und Aidelaide in Südaustralien ächzte im März unter einer Hitzewelle, die 15 Tage hintereinander Temperaturen über 35 Grad brachte.

Viele Länder haben in diesem Jahr schwere Stürme erlebt. Über Deutschland gab es im Sommer besonders viele Gewitter, auch einige Tornados wurden beobachtet. Im spanischen Valencia fiel innerhalb einer Stunde 14 Zentimeter Regen; insgesamt waren es an jenem ganzen Tag 39 Zentimeter. In Teilen Frankreichs gab es 50 Zentimeter Niederschläge in drei Tagen. Überflutungen waren die Folge. Die Sturm-Saison im Atlantik brachte in jedem Monat von Juli bis November einen schweren Hurrikan hervor, insgesamt also fünf, wo im Mittel zwei zu erwarten waren. Drei davon trafen Kuba. Die schwersten Schäden aber richtete im Mai der Zyklon Nargis an, als er Birma traf. Mehr als 130000 Menschen kamen dabei ums Leben.

Größte Sorgen aber bereitet das Meereis am Nordpol. Dessen Fläche ist zwar im Sommer 2008 nicht ganz so weit geschrumpft wie 2007, aber es fehlte nicht viel zu einem neuen Rekord. Dafür war das Eis in diesem Jahr dünner, das Volumen erreichte einen absoluten Tiefstand. Wissenschaftler warnen nun vor einem sich selbst beschleunigenden Prozess: Wo kein Eis ist, wird weniger Sonnenlicht reflektiert. Das Wasser erwärmt sich und verzögert das Überfrieren. Die Eiskappe bleibt dadurch dünn, es kann sich kaum noch stabiles, mehrjähriges Eis bilden. Die Eisfläche kurz vor Beginn der Frostsaison im September schrumpft inzwischen schneller als es Computerprognosen vorsagen.

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