Jugend und Alkohol:Sie trinken weiter

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Ein britischer Getränkehändler will Jugendliche mit drastischen Bildern vom Saufen abhalten. Doch die reagieren auf die Anti-Alkohol-Kampagne ganz anders als erhofft.

Markus C. Schulte von Drach

Die Warnung, Alkoholmissbrauch könnte den Ruf schädigen, greift bei Jugendlichen nicht. Vielmehr werden manche Spots von Anti-Alkohol-Kampagnen, die die Folgen des Suffs zeigen, von der Zielgruppe völlig falsch aufgenommen, berichten die britischen Wissenschaftler.

Das Ende eines lustigen Abends? (Foto: Foto: Reuters)

Christine Griffin von der University of Bath und Kollegen von weiteren britischen Universitäten haben überprüft, wie der Nachwuchs auf Spots reagiert, die einige Folgen intensiven Alkoholkonsums zeigen.

Dazu gehörten Szenen aus der aktuellen Anti-Alkohol-Kampagne des britischen Unternehmens Diageo "The Choice is Yours".

Seit Anfang November zeigt der Getränke-Großhändler in Filmspots und Anzeigen betrunkene Jugendliche, die aus Nachtclubs rausgeworfen und nach Hause getragen werden oder in Hausfluren übernachten müssen.

Doch anders als von den besorgten Erwachsenen erhofft, stehen solche Szenen bei den Jugendlichen eher für einen "lustigen" Abend. Und anstatt das Besäufnis im Freundeskreis zu missbilligen, honorieren es die Kumpels als Leistung.

Demnach können Diageo und andere Getränke-Anbieter davon ausgehen, dass ihnen die jugendliche Kundschaft erhalten bleibt.

"Ein soziales Bindungsritual"

"Ein Vollrausch erhöht unter jungen Leuten häufig die Achtung voreinander", erklärte Christine Griffin von der University of Bath. Missgeschicke oder Streichen im Suff würden Freundschaften vertiefen, die Bindung in einer Gruppe verstärken und das Ansehen in der Clique erhöhen.

Chris Hackley vom Royal Holloway, Mitautor der Studie, die im International Journal of Drug Policy erscheinen wird, erklärte, die Studie deute darauf, dass "Anti-Alkohol-Kampagnen, die auf dieses Verhalten zielen, katastrophal falsch verstanden werden".

Schließlich könne "ein gemeinsamer Rausch mit Freunden häufig Teil eines sozialen Bindungsrituals" sein und werde demnach "positiv eingeschätzt und mit Spaß, Freundschaft und guten Zeiten assoziiert - obwohl manche Jugendliche dabei auch das Ziel von Erniedrigungen werden können."

Wie Isabelle Szmigin von der University of Birmingham erklärte, ist den jungen Leuten das Gesundheitsrisiko zwar bewusst. Auch dass Betrunkene einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind, Opfer von Gewalt oder sexuellen Übergriffen zu werden, ist bekannt. "Aber nur wenige sehen darin mehr als vorübergehende Probleme."

"Die Studie zeigt, dass in der nationalen Alkoholpolitik ein radikales Umdenken notwendig ist", forderte Hackley. So müsste der soziale Charakter des Trinkens und die Bedeutung für die Identität der jungen Leute stärker berücksichtigt werden.

Griffin forderte nun, im Kampf gegen den jugendlichen Alkoholmissbrauch verstärkt auf die langfristigen Konsequnzen des Trinkens hinzuweisen.

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