Invasion:Angriff der Aliens

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Mit aggressiven Strategien erobern exotische Tiere und Pflanzen Europa - knapp 4000 Arten haben Biologen bereits erfasst.

Tina Baier

Auf einer kleinen Insel vor der Küste Australiens lebte einst ein Leuchtturmwärter mit seiner Katze. Jeden Abend legte das Tier seinem Besitzer einen kleinen Vogel vor die Tür. Irgendwann begann der Mann sich zu wundern und ging der Sache nach.

Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Vogel um eine einzigartige und bis dahin unbekannte Zaunkönig-Art handelte. Die Vögel hatten auf der Insel keine natürlichen Feinde und deshalb das Fliegen verlernt.

Als plötzlich die Katze auftauchte, waren sie ihr hilflos ausgeliefert. Bis man dies alles begriffen hatte, war es für den Zaunkönig zu spät.

Die Katze des Leuchtturmwärters hatte die Art ausgerottet.

Stefan Klotz vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle erzählte die Geschichte von der Katze auf der Wissenschaftskonferenz Euroscience Open Forum (ESOF) in München, um die Problematik so genannter invasiver Arten klarzumachen.

Dabei handelt es sich um Tiere oder Pflanzen, die mit Hilfe des Menschen fremde Lebensräume erobern und dort aus unterschiedlichen Gründen zum Problem werden.

Der Riesenbärenklau zum Beispiel gilt in Europa inzwischen als Gesundheitsgefahr. Er wurde als Zierpflanze aus dem Kaukasus eingeführt und breitet sich auch in Deutschland rasend schnell aus.

Malaria-Mücken im Flugzeug

Der Saft der Pflanze verursacht zusammen mit Sonnenlicht schwere Verbrennungen.

Ebenfalls ein Gesundheitsproblem sind Malaria-Mücken die etwa in Bangkok ins Flugzeug gelangen, es auf einem europäischen Flughafen wieder verlassen und sich dort auf die Suche nach Opfern machen.

70 Menschen in Europa hätten sich auf diese Weise bereits infiziert, ohne jemals in einem Malaria-Gebiet gewesen zu sein, sagte Wolfgang Nentwig vom Zoologischen Institut der Universität Bern.

Der Wissenschaftler hält es auch für möglich, dass Malariamücken sich in Südeuropa dauerhaft niederlassen, wenn es dort aufgrund des Klimawandels wärmer wird.

Doch auch aus Gründen des Naturschutzes sind die Einwanderer nicht willkommen.

Die Horrorvorstellung der Ökologen ist die Homogenisierung der Tier- und Pflanzenwelt, bei der überall auf der Erde die gleichen Lebewesen vorkommen.

Denn zu den allgemeinen Kennzeichen erfolgreicher Invasoren gehören ihre große Flexibilität, die es ihnen ermöglicht, in den unterschiedlichsten Lebensräumen zu gedeihen, und eine schnelle und effektive Fortpflanzung, durch die andere Arten verdrängt werden.

Unmengen von Samen

Der Götterbaum zum Beispiel, der aus China stammt, wuchert inzwischen sowohl in den USA als auch in Südamerika und macht sich außerdem in nordeuropäischen Städten wie London und Berlin breit.

Sein Erfolgsgeheimnis: Die Pflanze ist extrem unempfindlich gegen Luftverschmutzung und treibt spät im Jahr aus, so dass Fröste im Frühjahr ihr nichts anhaben können. Zudem produziert sie Unmengen von Samen.

Die Strategie von Feigenkakteen, die ursprünglich aus Zentralamerika stammen und sich im Mittelmeerraum explosionsartig ausbreiten, ist mindestens ebenso geschickt. "Die Pflanzen bilden riesige Blüten und Unmengen von Nektar", sagte Montserat Vilá von der Autonomen Universität Barcelona auf der ESOF.

Auf diese Weise zieht die Pflanze 40 Prozent aller bestäubenden Insekten an. Für die heimischen Pflanzen bleibt da nicht allzu viel übrig.

Helfershelfer der Invasoren ist immer der Mensch - oft unbewusst.

Wie im Fall der Rosskastanien-Miniermotte, deren Larven große Löcher in die Blätter von Kastanienbäumen fressen und so bayerische Biergärten und Berliner Alleen bedrohen. Befallene Bäume werden mitten im Sommer braun und werfen vorzeitig die Blätter ab. Der Schädling wurde erstmals 1985 in Mazedonien entdeckt.

Fünf Jahre später tauchte die Motte völlig unerwartet in Österreich in der Linzer Region auf und ist inzwischen in weiten Teilen Europas ein Problem. Biologen war es ein Rätsel, wie die kleinen Falter die weiten Strecken derart schnell zurücklegen konnten.

Bis sie herausfanden: Die Tiere lassen sich auf Lastwagen fallen, die unter befallenen Bäumen parken. Hunderte Kilometer weiter, beim nächsten Stopp, flattern sie dann in ihren Lieblingsbaum.

Lieb zum Mensch, fies zu den Artgenossen

Mit voller Absicht wurden dagegen Kanadische Grauhörnchen in britischen Parks ausgesetzt. Die Besucher waren begeistert, denn die Tiere sind Menschen gegenüber zahmer als die Europäischen Eichhörnchen.

Ihren rot-braunen Verwandten gegenüber verhalten sie sich allerdings aggressiv. Da die Grauhörnchen zudem etwas kräftiger und größer sind, haben sie das rote Eichhörnchen in einigen Gegenden Englands komplett verdrängt.

Dasselbe könnte sich in Italien wiederholen, wo ebenfalls Grauhörnchen ausgesetzt wurden.

Um solche Fehler zu vermeiden und mögliche Strategien gegen die Ausbreitung invasiver Arten zu entwickeln, erstellen Wissenschaftler zurzeit eine Datenbank aller invasiven Arten in Europa.

3691 Aliens sind dort inzwischen erfasst. Wahrscheinlich gibt es aber noch viel mehr.

© SZ vom 20.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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