Instinkt contra Intellekt:Richtige Schlüsse - am Verstand vorbei

Lesezeit: 2 min

Manche Entscheidungen wollen wohlüberlegt sein. Doch manchmal sollte man sich besser auf sein Unterbewusstsein verlassen.

Markus C. Schulte von Drach

Welchen Menschen schenke ich mein Vertrauen? Welcher Bank überlasse ich mein Geld, welchem Politiker die Macht? Über solche Fragen sollte man gut nachdenken.

Doch manchmal ist es offenbar besser, seinem Unterbewusstsein, seinen Instinkten, Intuitionen oder einfach seinem Bauch die Entscheidung zu überlassen.

Darauf deutet eine Studie von Psychologen des University College London.

Die Forscherinnen Li Zhaoping und Nathalie Guyader hatten 14 Versuchspersonen auf einem Computerbildschirm 650 identische Symbole präsentiert - eines davon allerdings war um die eigene Achse gedreht.

Die Aufgabe der Probanden bestand darin, zu entscheiden, auf welcher Seite sich dieses aus der Reihe tanzende Symbol befand.

Vor die Wahl gestellt, dafür lediglich einen winzigen Sekundenbruchteil oder aber für 1,5 Sekunden auf den Bildschirm zu schauen, würden sich die meisten von uns vermutlich für die längere Blickdauer entscheiden.

Doch unsere Chance, die richtige Entscheidung zu treffen, hätte sich damit verschlechtert.

Sehen ohne zu sehen

Wie Zhaoping und ihre Kollegin im Fachmagazin Current Biology (Bd. 17, S. 26, 2007) berichten, lagen die Studienteilnehmer zu 70 Prozent richtig, wenn ihnen die Symbole für mehr als eine Sekunde gezeigt worden waren.

War die Zeit jedoch zu kurz, als dass die Verteilung der Symbole überhaupt ins Bewusstsein gelangen konnte, trafen 95 Prozent der Probanden die richtige Wahl.

Erst ab einer Dauer von vier Sekunden lag die Häufigkeit der richtigen Entscheidungen auf dem entsprechenden Niveau.

Dass es sich bei dem guten Abschneiden der "Kurz-Blicker" nicht einfach um gutes Raten handelte, konnten die Briten mit Hilfe des sogenannten Eye Trackings zeigen.

Dabei wird beobachtet, wohin eine Versuchsperson auf einem Bildschirm blickt. Wurde der Monitor ausgeschaltet, sobald der Blick der Probanden auf das verkehrte Symbol fiel, gaben diese häufig an, es nicht gesehen zu haben.

Sie glaubten, die Seite zu raten, auf der es sich befand - doch tatsächlich war die Information da. Sie war einfach nicht bis ins Bewusstsein vorgedrungen.

Ein ähnliches Phänomen, das sogennante "blindsight", wird bei manchen Blinden beobachtet. Sie können zwar nicht sehen, was sich vor ihnen befindet - drängt man sie jedoch dazu, zu raten, liegen sie häufig richtig. Es gibt demnach mehrere Ebenen des Sehens - und vieles, was unsere Augen wahrnehmen, schafft es nicht bis unser Bewusstsein.

Ihre Ergebnisse interpretieren die Londoner Forscher so, dass unser Gehirn das abweichende Symbol unbewusst als auffällig wahrnimmt, für das bewusste Gehirn jedoch ist es das gleiche - nur umgedrehte - Symbol, und damit eigentlich nicht "anders".

Unser Unterbewusstein, so erklären die Wissenschaftler, steht häufig im Konflikt mit den kognitiven Hirnfunktionen, und oft unterdrückt unser Verstand die Instinkte.

Aber "für bestimmte Aufgaben ist ein Rückfall in die unbewussten Prozesse effektiver als der Einsatz der höheren kognitiven Funktionen", erklärt Zhaoping.

Ein Beispiel dafür ist die schnelle, reflexartige Reaktion von Autofahrern, die zum Beispiel einem Fußgänger ausweichen, bevor ihr Verstand die Informationen über die Gefahr überhaupt verarbeitet hat.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: