Hintergründe:Die Multiversen der Lisa Randall

Lesezeit: 3 min

Sie ist die am meisten zitierte Wissenschaftlerin der vergangenen Jahre. Ein Interview mit der Physikerin finden Sie in SZ Wissen - biografische Notizen Randalls und ein Glossar zu ihrer Arbeit finden Sie hier.

Hubert Filser

Die Welt, die wir sehen, hören und fühlen können, ist nur eine von vielen Inseln in einem Raum, der aus ungezählten weiteren Dimensionen besteht, sagt Lisa Randall. Sie ist theoretische Physikerin und die am meisten zitierte Wissenschaftlerin der vergangenen Jahre.

Sie gilt als derzeit führende theoretische Physikerin und Expertin für Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie. Und auch sonst ist ihre Biografie reich an Superlativen. Mit 36 Jahren war sie die erste Inhaberin eines Lehrstuhls für theoretische Physik in Princeton, danach die erste theoretische Physikerin am Massachusetts Institute of Technology sowie in Harvard, wo sie derzeit arbeitet.

Dort entwickelt sie seit mehreren Jahren zwei konkurrierende Modelle der Stringtheorie weiter, sie will Relativität, Quantenmechanik, Gravitation und diese erweiterte Stringtheorie zusammenführen. Entstanden ist ein Modell sich durchdringender, überlagernder und verwerfender "Multiversen".

Stark verbogene Raumzeit

Eine ihrer bisher bedeutendsten Arbeiten ist das so genannte Randall-Sundrum-Modell, ein fünfdimensionales Modell des Universums. Sie veröffentlichte die Idee 1999 zusammen mit Raman Sundrum. Nach Albert Einstein sind Raum und Zeit nicht notwendigerweise flach, sondern verbogen und verzerrt.

Berechnungen im Randall-Sundrum-Modell ergeben, dass die Raumzeit so stark verbogen sein könnte, dass ganze Bereiche davon für uns unzugänglich sind. Es könnte eine fünfte Dimension existieren, die wir wegen dieser Krümmung nicht sehen. Nur einige Zentimeter weiter könnte es ein anderes Universum geben, das für uns unerreichbar ist, da wir in unseren vier Dimensionen gefangen sind.

Ihr 2005 in den USA veröffentlichtes populärwissenschaftliches Buch Warped Passages wurde in die Liste der hundert bemerkenswertesten Bücher des Jahres 2005 der New York Times aufgenommen.

Glossar

Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt die Wechselwirkung zwischen Materie einerseits und Raum und Zeit andererseits. Sie ist eine Theorie der Gravitation, die das Gravitationsfeld für jede Quelle von Materie und Energie beschreibt, einschließlich jener, die im Gravitationsfeld selbst gespeichert ist, und zwar in jedem Bezugsfeld. In ihrer wichtigsten Aussage drückt sie das Gravitationsfeld durch die Krümmung der Raumzeit aus.

Antiteilchen Dabei handelt es sich um Teilchen mit derselben Masse wie ein anderes Teilchen, aber entgegensetzter Ladung.

Boson Ein Teilchen mit ganzzahligem Spin, also 1,2, und so weiter. Das Photon und das Higgs-Teilchen sind Beispiele für Bosonen. Sie bilden eine der beiden Teilchenkategorien der Quantenmechanik, bei der anderen handelt es sich um die Fermionen.

Brane Ein einer Membran ähnliches Objekt in einem höherdimensionalen Raum, das Energie tragen und Teilchen und Kräfte einschließen kann.

CERN ein Teilchenbeschleuniger-Zentrum bei Genf. Die Abkürzung steht für Conseil Europeen pour la Recherche Nucleaire (heute Europäische Organisation für Kernforschung). Dort soll Anfang 2008 der LHC (Large Hadron Collider) in Betrieb gehen.

Collider ein hochenergetischer Teilchenbeschleuniger, der Teilchen aufeinanderprallen lässt und dabei enorme Energiemengen erzeugt.

Duale Theorien Zwei äquivalente Beschreibungen ein und derselben Theorie, die oberflächlich betrachtet sehr unterschiedlich aussehen können.

Elektron ein sehr leichtes Elementarteilchen mit negativer Ladung

Extra-Dimension Eine Dimension ist eine unabhängige Richtung in Raum oder Zeit. Zusätzliche Dimensionen können für uns unsichtbar sein, weil sie eingerollt sind, das ist wie bei einem zweidimensionalen Blatt, das man einrollt. Das Ergebnis ist eine eindimensionale Schnur.

Fermionen Teilchen mit halbzahligem Spin. Quarks und Elektronen sind Beispiele für Fermionen.

Kaluza-Klein-Teilchen Vierdimensionales Teilchen mit Ursprung in höheren Dimensionen (benannt nach den Physikern Theodor Kaluza und Oskar Klein). Die Kaluza-Klein-Theorie ist eine Erweiterung der Allgemeinen Relativitätstheorie, die sowohl Gravitation als auch Elektrodynamik umfasst.

Large Hadron Collider (LHC) Der LHC ist der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Er wird am Forschungszentrum CERN bei Genf gebaut und soll Anfang 2008 betriebsbereit sein. Protonen sollen in einem 27 Kilometer langen Ringtunnel beschleunigt werden und aufeinanderprallen. Forscher hoffen, neue Elementarteilchen zu finden.

Multiversum Eine hypothetische Verallgemeinerung des Universums, das Regionen enthält, die nicht oder nur extrem schwach wechselwirken.

Photon Das Elementarteilchen, das die elektromagentische Kraft vermittelt, auch Lichtquant genannt.

Quantenmechanik Diese Theorie basiert auf der Annahme, dass alle Materie aus einzelnen Elementarteilchen besteht, mit denen Wellenfunktionen verbunden sind.

Quantengravitation Eine Theorie der Gravitation, die sowohl Quantenmechanik als auch allgemeine Relativität einschließt.

Standard-Modell Diese Theorie beschreibt das Verhalten aller bisher beobachteten Teilchen und Kräfte außer der Schwerkraft - das ist ihre große Schwäche.

Stringtheorie Die Theorie, der zufolge die fundamentalen Bestandteile des Universums Strings sind und die konsistent Quantenmechanik und allgemeine Relativitätstheorie vereinen soll.

Symmetrie Eine Eigenschaft eines Objekts oder physikalischen Gesetzes, die bewirkt, dass bestimmte physikalische Operationen keine Auswirkungen haben.

Teilchenbeschleuniger Eine Einrichtung der Hochenergiephysik, in der Teilchen auf hohe Energien beschleunigt werden.

Virtuelle Teilchen Gedachte Teilchen, die nur die Quantenmechanik zulässt. Sie tragen dieselbe Ladung wie die entsprechenden realen physikalischen Teilchen, haben aber die falsche Energie.

© SZ Wissen 17/2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: