Pulsierende Radioquelle:Einzigartiges Himmelsobjekt lässt Astronomen rätseln

Lesezeit: 2 min

Künstlerische Darstellung des extrem langperiodischen Magnetars - einer seltenen Art von Stern mit extrem starken Magnetfeldern, die gewaltige Energieausbrüche erzeugen können. (Foto: ICRAR)

Seit Jahrzehnten sendet GPM J1839-10 alle 21 Minuten Impulse aus. Was könnte es nur sein? Von vergleichbaren Objekten unterscheidet sich diese Radioquelle grundlegend.

Am Südhimmel, im Sternbild Schild, ist ein internationales Forscherteam auf eine mysteriöse Quelle von Radiostrahlung gestoßen: Alle 21 Minuten sendet das 15 000 Lichtjahre entfernte Himmelsobjekt GPM J1839-10 einen Strahlungspuls aus, der jeweils zwischen einer halben und fünf Minuten andauert. Und das, wie Nachforschungen der Wissenschaftler in astronomischen Datenarchiven ergaben, bereits seit mehr als 35 Jahren. Mit den bisherigen Vorstellungen von pulsierenden Radioquellen - sogenannten Pulsaren - lasse sich dieses ungewöhnliche Objekt nicht erklären, schreiben die Forscher im Wissenschaftsjournal Nature.

Als die britische Astronomin Jocelyn Bell 1967 auf Radiopulse aus dem All stieß, die sich alle 1,3 Sekunden wiederholten, dachte sie zunächst an ein Signal außerirdischer Wesen. Inzwischen kennen Himmelsforscher mehr als 3000 derartige Pulsare mit Perioden im Bereich von Sekunden bis hinab zu Millisekunden in unserer Milchstraße. Und die Wissenschaftler haben auch eine natürliche Erklärung für das Phänomen gefunden: Es handelt sich um schnell rotierende Neutronensterne mit einem starken Magnetfeld.

"Das Objekt stellt unser Verständnis von Neutronensternen infrage"

Neutronensterne sind extrem dichte Sternenleichen: Sie sind nur etwa zehn Kilometer groß, enthalten aber mehr Masse als unsere Sonne. Viele Neutronensterne besitzen ein starkes Magnetfeld - und durch dieses Magnetfeld beschleunigte Elektronen erzeugen die Radiostrahlung, die von den magnetischen Polen aus ins All hinausschießt. Da jedoch die Nord-Süd-Achse des Magnetfelds nicht mit der Drehachse des Neutronensterns übereinstimmt, streicht dieser Strahl ähnlich wie bei einem Leuchtturm durch das Weltall. Und immer, wenn der Strahl auf die Erde trifft, registrieren die Radioteleskope einen Puls des Objekts.

Aber nicht jeder Neutronenstern ist zugleich ein Pulsar: Das Magnetfeld muss ausreichend stark und die Rotation genügend schnell sein. Damit ergibt sich eine Grenze, jenseits der ein Neutronenstern keine Radiopulse aussenden sollte, Astrophysiker nennen diese Grenze die "Todeslinie" der Pulsare. Mit seiner extrem langsamen Periode von 21 Minuten liegt GPM J1839-10 nicht nur ein wenig, sondern weit jenseits dieser Todeslinie.

"Das Objekt stellt unser Verständnis von Neutronensternen infrage", gesteht deshalb Natasha Hurley-Walker von der Curtin University in Australien. Gemeinsam mit ihren Kollegen war die Astronomin mit einer großen Teleskopanlage in Westaustralien, dem Murchison Widefield Array, auf der Suche nach ungewöhnlichen, veränderlichen Radioquellen am Himmel, als sie auf GPM J1839-10 stieß.

SZ PlusAstronomie
:Die Milchstraße durch die Neutrino-Brille

Hochenergetische Neutrinos konnte man bislang nur fernen Galaxien zuordnen. Nun ist der Nachweis solcher Geisterteilchen aus der Milchstraße gelungen - was einen neuen Blick auf die Galaxie ermöglicht.

Von Andreas Jäger

Zunächst hielten die Wissenschaftler es für ein vorübergehendes Phänomen. Doch eine Durchforstung der Archive anderer großer Radioteleskope lieferte ein überraschendes Ergebnis: Das Objekt war auch - zuvor unbemerkt - in den Daten des Giant Metrewave Radio Telescope in Indien und des Very Large Array in den USA verborgen. Die ältesten Daten reichen zurück bis 1988 - und schon damals hat GPM J1839-10 Radiopulse mit der gleichen Periode ausgesendet.

Wie aber kann ein derart langsam rotierender Neutronenstern Radiopulse aussenden - und das über Jahrzehnte hinweg? Vielleicht, so spekulieren Hurley-Walker und ihre Kollegen, handele es sich um einen Magnetar - einen Neutronenstern mit einem extremen Magnetfeld, tausendmal stärker als bei einem normalen Pulsar. Dieses starke Magnetfeld könnte, so die Überlegung, die langsamere Rotation ausgleichen. Allerdings ist bislang kein Magnetar bekannt, der so langsam rotiert wie GPM J1839-10. Außerdem senden Magnetare gleichzeitig mit der Radiostrahlung auch Röntgenstrahlung aus - doch bei GPM J1839-10 konnte das Team bislang keine Röntgenstrahlung nachweisen.

Ist also GPM J1839-10 vielleicht gar kein Neutronenstern? Als weiteren Erklärungsansatz diskutieren die Wissenschaftler einen Weißen Zwergstern mit einem starken Magnetfeld. Da solche Objekte erheblich größer sind als Neutronensterne, können sie trotz ihrer langsamen Drehung auch Radiostrahlung erzeugen. Doch bislang kennen die Astronomen keinen Weißen Zwerg, der eine ähnlich starke Radiostrahlung zeigt wie GPM J1839-10. Das Team sucht nun gezielt nach weiteren Pulsaren mit langen Perioden, um der Natur dieses rätselhaften Himmelsobjekts auf die Spur zu kommen.

© SZ/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusRaumfahrt
:Der neue Wettlauf zum Mond

Eine unbemannte Mission nach der anderen stürzt über dem Mond ab. Was ist so schwierig an der Landung? Und warum versuchen es trotzdem so viele?

Von Alexander Stirn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: