Geschichte:Einheitsfeier zwischen Maultasche und Currywurst

Lesezeit: 2 min

Stuttgart (dpa) - Wenn Deutschland zu Gast im Stuttgarter Talkessel ist, kann es schon mal eng werden. Für die einen ist das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit schön kuschelig, andere haben vom Gedränge etwa auf der Meile der Bundesländer bald die Nase voll.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Stuttgart (dpa) - Wenn Deutschland zu Gast im Stuttgarter Talkessel ist, kann es schon mal eng werden. Für die einen ist das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit schön kuschelig, andere haben vom Gedränge etwa auf der Meile der Bundesländer bald die Nase voll.

Stuttgart hat gerufen - und mehrere Hunderttausend sind gekommen. Bei strahlend blauem Himmel und meist bester Laune feiert sich das Volk zwischen Maultasche und Currywurst selbst.

Ausgesperrt ist es noch, als sich die fünf Verfassungsorgane vom Bundespräsidenten bis zum Bundesratspräsidenten an diesem kühlen Morgen treffen. Eine Limousine nach der anderen fährt bei herbstlichen fünf Grad auf dem Schillerplatz vor. Mit Winfried Kretschmann steht nach 23 Jahren Einheit erstmals ein Grüner als Gastgeber am Roten Teppich.

Nach dem Gottesdienst treffen Staatsspitze und Volk kurz aufeinander. Bundespräsident Gauck drückt der neunjährigen Julia die Hand. „Er hat gefragt, ob ich weiß, was heute gefeiert wird“, erzählt sie stolz. Und dass sie es „natürlich“ wusste, lobt Gauck mit einem „Gut!“. Rund 50 Sänger von Chören aus Stuttgart, Heidelberg und Berlin intonieren einen Mix aus den Liedern „Kein schöner Land“ und „Nkosi Sikelela“ - einem bekannten südafrikanischen Lied und Teil der Nationalhymne des Landes.

„Zwei Monate haben wir daran gearbeitet“, sagt Abdourahime Diallo von der Stiftung Partnerschaft mit Afrika. Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt klatschen und singen mit. Anschließend posiert der Bundespräsident mit den Sängern für ein Foto. „Er hat gesagt, er würde gerne mitmachen, aber dann hätten seine Sicherheitsleute ein Problem. Daher wollte er wenigstens das Foto“, erzählt Diallo, der Gauck für einen „total spontanen Typ“ hält.

Nach dem „Bad in der Menge“ der Staatsspitze übernimmt das Volk die Regie der Feier. Während die Politiker beim Festakt in der Liederhalle auch die Probleme des Landes wälzen, füllt sich die Innenstadt von Minute zu Minute. Immer größer wird das Gedränge. Massen schieben sich am Mittag durch die Zelte etwa von der Bundesregierung, lange Schlangen bilden sich am „Forum Plenarsaal“, einem interaktiven Rollenspiel zur Arbeit des Parlaments.

Kulinarisch bekommt das Volk an diesem Tag genau das, was es erwartet: Saumagen im Zelt von Rheinland-Pfalz, Rostbratwurst bei den Thüringern, Matjes im Niedersachsen-Zelt. Berlin hat das Brandenburger Tor im Kleinformat mitgebracht, bietet Currywurst und präsentiert sich als Musikhauptstadt. Und beim Gastgeber Baden-Württemberg: Linsen mit Spätzle und „Saitenwürschtle“. Auch eine riesige Schwarzwälder Kirschtorte darf nicht fehlen.

Am engsten umlagert sind die Stände, wo es was zu tun gibt: Schleswig-Holstein etwa lässt Kinder Muscheln mit dem Mikroskop untersuchen, Berlin hat eine Jukebox zum Mitmachen aufgebaut mit Titeln von den Prinzen, City, Culture Beat und Camouflage.

Deutlich sichtbar sind an diesem Tage auch die Gegner des Bahnhofprojekts Stuttgart 21 - ausgestattet mit gelben Luftballons und den bekannten Symbolen ihres Widerstands. Bundespräsident Gauck geht auf sie ein: Es gebe natürlich immer Leute, die sagen, was sie nicht erreicht haben. „Heute lacht aber die Sonne.“ Dies sei der Tag, sich über alles Gelungene zu freuen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: