Geologie:Das vereinigte Deutschland

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Die erste Vereinigung Deutschlands liegt 390 Millionen zurück, jetzt wurde die Gesteinsnaht zwischen den zwei Urkontinenten entdeckt, die damals zusammenstießen: Sie verläuft von Sachsen quer durch die Republik.

Axel Bojanowski

Vor etwa 390 Millionen Jahren ist Deutschland zum ersten Mal vereinigt worden. Zwei Kontinente, auf denen Süd- und Norddeutschland lagen, wurden seinerzeit miteinander verschweißt. Nun haben Geophysiker die Gesteinsnaht aufgespürt.

Karte von Deutschland im Maßstab 1:200.000. Von Sachsen quer durch die Republik verläuft die Gesteinsnaht. (Foto: Foto: AP)

Sie verläuft quer durch Deutschland, von Sachsen in Richtung Südwesten bis nach Frankreich.

Im Devon trennte noch ein tropisches Meer beide Teile Deutschlands, die seinerzeit nahe dem Äquator lagen. Die Überreste der Korallenriffe, die an den Küsten wuchsen, lassen sich beispielsweise noch im Erzgebirge besichtigen. Unterirdische Gesteinsströme trieben die Kontinentscholle, auf der Süddeutschland und angrenzende Teile Ost- und Westeuropas lagen, unaufhaltsam auf Nordeuropa zu.

Schließlich stießen beide Platten aufeinander. Der zwischen ihnen liegende Meeresgrund wurde dabei unter die Nordplatte geschoben.

Während der Kollision erhoben sich Vulkane. Ähnliches geschah in Südeuropa: Die Vulkane Italiens und Griechenlands haben sich gebildet, weil Afrika den Grund des Mittelmeers unter Europa schob. Erstarrtes Magma der mitteldeutschen Vulkankette bildete gewaltige Gesteinsmassive, die etwa im Fichtelgebirge und im Odenwald anzutreffen sind. Vielerorts entstanden in der 1000 Grad heißen Schmelze wertvolle Metalle und Edelsteine, etwa im Erzgebirge. Dort wurden sogar Diamanten gefunden.

Saxothuringikum und Moldanubikum

Nachdem der devonische Ozean im Erdinneren verschwunden war, kam es zum interkontinentalen Crash: Nord- und Süddeutschland kollidierten. In der Knautschzone türmte sich das Variszische Gebirge. Es wurde nach der Stadt "Curia Variscorum" benannt, dem heutigen Hof. Die Mittelgebirge bilden die Überreste jener einst vermutlich alpenhohen Berge.

Die beiden Hälften liegen nördlich und südlich einer Linie Dresden-Straßburg. Das Gebiet nördlich dieser Linie nennen Geologen "Saxothuringikum". Es wurde nach Sachsen und Thüringen benannt. Die angrenzende Südscholle heißt im Fachjargon "Moldanubikum" (nach Moldau und Donau).

Allerdings lässt sich die Schweißnaht zwischen Nord und Süd nirgendwo besichtigen. Sie wird von später abgelagerten Erdschichten überlagert. Ob die Kollisionsfront zwischen Nord- und Süddeutschland also tatsächlich dort verläuft, wie es die geologischen Kartierungen zeigen, blieb bislang unklar. Denn wie Autos bei einer Karambolage falten sich auch Kontinente in ihrer Knautschzone meist chaotisch ineinander.

Mehrere Versuche, die Grenze zwischen Nord und Süd zu ermitteln, scheiterten. Mit einer Tiefbohrung in der Oberpfalz beispielsweise - sie erzeugte das zweittiefste Loch der Welt - sollte die Nahtzone in rund zehn Kilometer Tiefe durchbohrt werden. Doch die Bohrung blieb bei Kilometer neun stecken.

90 Kilometer tiefe Grenzschicht

Nun haben Geophysiker um Barbara Heuer und Horst Kämpf vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) im Dreiländereck Sachsen-Bayern-Böhmen tief ins Erdinnere geblickt. Sie werteten Erdbebenwellen aus, die Auskunft über die Beschaffenheit des Untergrunds geben. Die Wellen verhalten sich wie Lichtstrahlen: An Gesteinsgrenzen werden sie gebrochen. Außerdem verändern sie ihre Geschwindigkeit, je nachdem, welches Material sie passieren. In dem Strichmuster, das Erdbebensensoren aufzeichnen, erkennen Experten ein Abbild des Untergrundes.

Die Potsdamer Geophysiker entdeckten auf ihren Aufzeichnungen die Nahtfläche zwischen Nord- und Süddeutschland. Die Grenze beider Erdplatten neige sich nahezu senkrecht in die Tiefe, berichten die Forscher im Fachblatt Geophysical Research Letters (Bd.34, S. L09304, 2007). Die Nord-Platte (das Saxothuringikum) reiche 90 Kilometer tief, die Süd-Scholle (das Moldanubikum) 130 Kilometer.

Dass die Grenzfläche derart gerade verlaufe, habe ihn überrascht, sagt Wolfram Geissler vom Alfred-Wegener-Institut, der Mitautor der Studie ist. Denn bei Kontinent-Kollisionen komme es üblicherweise zu starken Verformungen der Erdplatten.

An der Naht sind beide Platten nun untrennbar miteinander verbunden. Zusammen mit vielen weiteren tektonischen Erdschollen wurden sie im Laufe der Zeit zur Eurasischen Platte verschweißt - die geologische Karte Europas ist ebenso vielfältig wie die politische.

© SZ vom 16.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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