Genforschung:Craig Allmächtig

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Ein Genie oder ein Wahnsinniger? Keiner spaltet die Fachwelt wie der Molekularbiologe Craig Venter.

Tobias Matern

Der Mann polarisiert. Für seine Anhänger ist J. Craig Venter ein Genie, für seine Gegner ein moralisch verwerflicher Molekularbiologe, der sich selbst zu einem Ersatzgott, einem Herrscher über Leben, erkoren hat. Ihn selbst würden diese Etikettierungen vermutlich wenig stören. Solange dem schillernden Forscher die Aufmerksamkeit gewiss ist, kann Venter auch mit Kritik gut leben. Schließlich sei "fast jeder große Durchbruch in der Geschichte der Wissenschaften Außenseitern zu verdanken", sagt der 60-jährige Amerikaner.

Craig Venters Hang zur Selbstdarstellung ist Kollegen suspekt. (Foto: Foto: AP)

Sein jüngster Coup, der angeblich erstmals eine künstliche Lebensform schafft, ist nicht das erste Mal, dass Venter sich als Pionier einer Branche profiliert, in der ihm trotz seines unzweifelhaften Könnens auch viel Skepsis entgegenschlägt. Etlichen Kollegen ist sein Hang zur Selbstdarstellung suspekt. Er umsegelte medienwirksam mit seinem Forschungsschiff Sorcerer II die Welt. Mit den entnommenen Meeresproben machte er sich daran, das Erbgut zahlreicher Organismen zu entschlüsseln.

Erst jüngst präsentierter Venter eine komplette Dekodierung seines eigenen Genoms und stellte sie frei zugänglich ins Internet. Zumindest Fachleute können sich nun erschließen, für welche Krankheiten der Sohn eines Buchhalters mit deutschen Vorfahren anfällig sein könnte. Venter selbst gibt dazu zahlreiche Interviews, in denen er nicht nur über seine Veranlagung für Alzheimer, Bluthochdruck und Herzinfarkt berichtet, sondern auch damit kokettiert, dass seine Gene darauf hindeuten, er scheue das Risiko.

Sanitäter im Vietnamkrieg

Genau das hat Venter, der zwei Ex-Frauen und einen Sohn hat, in seinem Leben nie getan. Nach seinem Highschool-Abschluss widmete er sich zunächst seiner großen Leidenschaft, dem Surfen. Dann ging er zur US-Marine und erlebte in den Jahren 1967/68 die Schrecken des Vietnamkriegs, in dem er sich als Sanitäter um verwundete Soldaten kümmerte.

Die Konfrontation mit Tod und Tropenkrankheiten ließ in ihm den Entschluss reifen, Medizin zu studieren. Damit begann er nach seiner Rückkehr aus Vietnam, konzentrierte sich bald auf Biochemie und erhielt 1975 seinen Doktortitel mit dem Forschungsschwerpunkt Gene und Genome an der Universität von San Diego in Kalifornien.

Nach Stationen an der Universität von New York in Buffalo und dem Nationalen Gesundheitsinstitut der US-Regierung beteiligte sich Venter von 1990 an am Human Genome Project (Hugo), einem mit mehreren Milliarden Dollar ausgestatteten, internationalen Forscher-Verbund zur Entschlüsslung der menschlichen Erbinformation.

Die dort angewandte Methode war ihm allerdings nicht schnell genug. Er entwickelte ein eigenes Verfahren, überwarf sich mit den Kollegen, schied aus dem Projekt aus und machte sich schließlich selbständig.

Mit Risikokapital und dem Geld von Sponsoren - einem Bruchteil dessen, was den Hugo-Forschern zur Verfügung stand - nahmen Venter und sein Forscherteam den Wettlauf auf, um schließlich zeitgleich im Februar 2001 das entschlüsselte Erbgut zu präsentieren. Zwar bemängelten Kritiker stets Venters enge Verbindung zur Pharmaindustrie und seine Patentansprüche, aber selbst Gegner lobten ihn für diese herausragende Leistung. Ohne sein Engagement wäre die Veröffentlichung erst Jahre später erfolgt.

© SZ vom 08.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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