Gebiete um den Südpol:Moskau blockiert Meeresschutz

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Pinguine vor der antarktischen Küste: Hier finden die Tiere im Sommer viel Nahrung. Noch ist das Gebiet fast unberührt. (Foto: REUTERS)

"Wir sind alle völlig vor den Kopf gestoßen": Vor der Antarktis sollte der Fischfang in einem Gebiet von der Größe Indiens stark eingeschränkt werden - doch Russland stoppt den Plan aus "juristischen Gründen".

Von Marlene Weiss

Es geht um eines der letzten Paradiese auf dem Planeten: das Südpolarmeer rund um die Antarktis. Tausende Arten leben dort oder sind im Sommer auf das üppige antarktische Nahrungsangebot angewiesen, darunter Pinguine, Wale und Seevögel. Dort sollte das größte Meeresschutzgebiet der Welt entstehen, in dem der Fischfang nur noch unter strengen Auflagen erlaubt sein sollte. Doch Russland ließ die Verhandlungen am Montag und Dienstag in Bremerhaven scheitern - wegen vorgeblicher juristischer Bedenken.

Eigentlich hätte das Schutzgebiet schon im vergangenen November im australischen Hobart beschlossen werden sollen, bei der Tagung der Staaten mit Ansprüchen an die Nutzung der Antarktis, die sich in der "Internationalen Kommission zum Schutz lebender Ressourcen in der Antarktis" (CCAMLR) zusammengeschlossen haben. Darin sind 24 Staaten und die EU vertreten, die zum Teil wie Deutschland vor allem Forschung in der Antarktis betreiben. Andere sind auch am Fischfang interessiert, wie Norwegen, Russland, China und die Ukraine. Besonders die drei letzteren hatten sich in Hobart gegen ein Schutzgebiet gewehrt. Daher wurde die diesjährige Sondersitzung in Bremerhaven einberufen, um weiterzuverhandeln.

Zwei Vorschläge stehen seit Jahren zur Debatte: Die EU pocht mit Frankreich und Australien auf ein Schutzgebiet vor den Küsten der Ostantarktis; Neuseeland und die USA plädieren dafür, das Rossmeer unter Schutz zu stellen. Zusammen umfassen beide Gebiete eine Fläche von 3,2 Millionen Quadratkilometern, etwa die Fläche Indiens. Deutschland arbeitet derzeit an einem Vorschlag, zusätzlich das Weddell-Meer unter Schutz zu stellen; er ist jedoch noch nicht abstimmungsreif. Doch als dann alle zu dem Treffen hinter verschlossenen Türen versammelt waren, hatte es sich die russische Delegation nach Teilnehmerangaben anders überlegt: Statt über Feinheiten der Vorschläge wie Gebietsgrenzen oder Fischfangquoten zu reden, bezweifelten die Vertreter Russlands plötzlich, dass die CCAMLR überhaupt das Recht hat, ein Schutzgebiet einzurichten.

"Das ist katastrophal"

"Wir sind alle völlig vor den Kopf gestoßen", sagt Britta König von der Naturschutzorganisation WWF. "Seit einem halben Jahr laufen die Vorgespräche, und diese Zweifel wurden nicht einmal aufgebracht." Nun müssen mehr als 100 Delegierte unverrichteter Dinge wieder abreisen - die Schutzgebiete waren der einzige Tagesordnungspunkt. "Das ist katastrophal", sagt auch Iris Menn, Meeresbiologin bei Greenpeace, "so etwas habe ich noch nicht erlebt." Fast wären die Gespräche wegen Russlands Haltung komplett abgebrochen worden, hieß es. Schließlich einigte man sich jedoch, bis zur nächsten regulären Tagung im Herbst parallel zu verhandeln - einerseits über Russlands juristische Bedenken, andererseits wird weiter über die geplanten Gebiete gesprochen.

Auch das international vereinbarte Ziel, bis 2020 zehn Prozent der Meeresfläche unter Schutz zu stellen, rückt nun in noch weitere Ferne. Derzeit sind nur zwei Prozent geschützt, mit den Gebieten in der Antarktis wäre die Schutzfläche auf ungefähr drei Prozent gewachsen. Wissenschaftlern und Naturschützern liegt die Antarktis auch deshalb so am Herzen, weil dort noch so viel zu schützen ist - bislang ist das Gebiet relativ unberührt geblieben. "Die Antarktis ist für die Wissenschaft wichtig als Vergleichsfläche, wo der menschliche Einfluss gering ist", sagt Stefan Hain, Leiter der Stabsstelle Umweltpolitik am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. In solchen Referenzgebieten lässt sich der Einfluss des Klimawandels beobachten.

Seit 1961 sieht der Antarktisvertrag vor, dass das Gebiet jenseits von 60 Grad südlicher Breite friedlich genutzt wird und Territorialansprüche ruhen; im Jahr 1991 haben sich die Vertragsstaaten zudem darauf verständigt, die Erkundung und Ausbeutung von Bodenschätzen für 50 Jahre ruhen zu lassen. Zudem ist das Meer rund um die Antarktis bereits Walschutzgebiet, in dem nur Japan zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken Jagd auf Wale macht.

Trotzdem steht auch die Antarktis unter Druck: Der Schwarze Seehecht wird gejagt, und immer größere Mengen Krill werden vor allem als Futter für Fischfarmen gefangen. Diese Tiere fehlen dann in der Nahrungskette. Die Folgen für das Ökosystem sind schwer abzusehen.

© SZ vom 17.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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