Fußball und Pessimismus:Das Glück der Dänen

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Seit mehr als 30 Jahren zeigen Umfragen, dass die Dänen die zufriedensten Menschen innerhalb der Europäischen Union sind. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, warum.

Markus C. Schulte von Drach

Dänen sind die zufriedensten Bürger innerhalb der Europäischen Union - und zwar seit mehr als 30 Jahren.

Und seit Anfang der 90er Jahre erklären regelmäßig zwei Drittel der fünf Millionen Einwohner des skandinavischen Landes sogar, sie seien "sehr zufrieden" mit ihrem Leben.

In den meisten anderen Mitgliedstaaten ist nicht mal jeder Dritte so glücklich, und kein einziges anderes EU-Land kommt auf mehr als 50 Prozent solcher zufriedenen Bürger.

Was aber ist das Besondere an den Dänen?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben Wissenschaftler der Universität von Süd-Dänemark in Odense eine Reihe von Faktoren in ihrem Heimatland sowie in den zwei Nachbarländern Schweden und Finnland untersucht.

So analysierten sie Faktoren wie Alkohol- und Tabak-Konsum, Familienverhältnisse, Gesundheit, sportlicher Erfolg und die Erwartungen für das nächste Jahr.

Doch auch Aspekte wie der Anteil der Blonden an der Bevölkerung (schließlich ist seit einer Werbung für Haartönung in den 50er Jahren bekannt, dass Blonde mehr Spaß haben), die Bedeutung von genetischen Faktoren, der Ess-Kultur und des Klimas wurden berücksichtigt.

Ohne Zweifel, so berichten Kaare Christensen und sein Team im Britisch Medical Journal (Bd.333, S.1289,2006), hätte die Selbsteinschätzung der Dänen mehrere Ursachen. Eine Reihe der von ihnen untersuchten Faktoren konnten sie jedoch als unwahrscheinlich ausschließen.

So sei der Anteil an Blonden in Schweden höher als in Dänemark. Die dänische Küche, so die Forscher, sei nicht der Rede wert, vom Klima ganz zu schweigen.

Auch waren die meisten Schweden bis ins 17. Jahrhundert Dänen, so dass die Gene keine Rolle spielen dürften.

Der Konsum von Alkohol und Tabak ist in Dänemark sehr hoch, was sich auch in der eher niedrigen Lebenserwartung wiederspiegelt. Ein Zusammenhang erscheint den Wissenschaftlern eher unwahrscheinlich (wenn auch einer von ihnen die Vermutung äußerte, die Dänen seien während der Teilnahme an den Umfragen vielleicht einfach immer betrunken).

Überhaupt lässt der Gesundheitszustand der Bevölkerung zu wünschen übrig.

Was die Häufigkeit der Heiraten angeht, ist Dänemark in der EU zwar Spitzenreiter - doch fast genauso hoch ist die Zahl der Scheidungen. Und Kinder machen zwar glücklich - doch dies gilt angeblich nur für die Erstgeborenen. Jeder weitere Nachwuchs bewirkt zumindest bei Frauen offenbar das Gegenteil.

Aber "wir sind sehr zufrieden damit, dass wir am Ende und entgegen aller Hoffnungen das Rätsel der dänischen Zufriedenheit lösen konnten", melden die Wissenschaftler.

Faktor Fußball

Zwei Faktoren könnten das Phänomen ihrer Einschätzung zufolge erklären:

Zum einen sei da der Triumph bei der Europameisterschaft 1992, als die dänische Fußball-Nationalmannschaft dank eines Sieges über Deutschland den Titel errang. Dies habe die Dänen "in einen solchen Zustand der Euphorie versetzt, dass das Land seitdem nicht mehr das selbe ist", berichten die Forscher.

Tatsächlich war die Zufriedenheit der Dänen vor 1992 zwar bereits hoch - doch seitdem ist die Zahl der "sehr zufriedenen" Bürger noch einmal in die Höhe geschnellt.

Dass diese Erklärung nicht abwegig sei, belegten etwa Erfahrungen aus England, wo die Preise an der Börse positiv mit den Leistungen der Nationalmannschaft zusammenhängen. Und schließlich habe Dänemark in seiner Geschichte seit der Niederlage in England 1066 nur noch Rückschläge hinnehmen müssen: Schweden ging verloren, gefolgt von Norwegen und Norddeutschland, den dänischen Westindischen Inseln und Island.

Zum anderen bieten die Wissenschaftler auch eine Erklärung für die bereits vor 1992 hohe Zahl zufriedener Dänen. Im Gegensatz zu den Schweden und Finnen - und offenbar auch zu allen anderen Europäern - hegen Dänen in der Regel nur niedrige Erwartungen für die Zukunft. Sie halten sich für glücklich - "aber nur jetzt gerade, und wahrscheinlich nicht für lange".

"Jedes Jahr", so Christensen und seine Kollegen, "sind die Dänen positiv überrascht, dass doch nicht alles noch fauler wird im Staate Dänemark".

"Angesichts des wahrscheinlich enttäuschenden Neuen Jahres wollen wir keine falschen Hoffnungen wecken", warnen die dänischen Fachleute. "Aber vielleicht kann man ja ein wenig Trost darin finden, dass derjenige, der seine Erwartungen genug reduziert, sich vielleicht nächstes Jahr zu Weihnachten ein wenig besser fühlt."

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