Frage der Woche:Macht das Wetter krank?

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Gelenkschmerzen vor jedem Gewitter und bei Föhn Migräne - Wetter und Wohlbefinden hängen offenbar zusammen. Doch wie?

Markus C. Schulte von Drach

Das Wetter hat einen großen Einfluss auf unser Leben. Wir schmieden Pläne je nach Wetterprognose und werfen sie unter dem Einfluss von Kälte, Regen oder Sonnenschein wieder über den Haufen. Aber kann uns das Wetter auch krank machen?

Viele Menschen spüren den Wechsel zwischen Tief- und Hochdruck. Macht das Wetter krank? (Foto: Foto: ddp)

Schon der Begriff "Erkältung" zeigt, dass bereits unsere Vorfahren davon überzeugt waren. Doch so einfach lässt sich der Zusammenhang nicht herstellen.

So ist es nicht die Kälte selbst, die uns krank macht. Grippe und grippale Infekte etwa, unter denen im Winter besonders viele Menschen leiden, sind Virus-Infektionen. Und die Erreger mögen eigentlich die Wärme.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir uns im Winter eher infizieren, weil wir uns häufiger zusammen in schlecht gelüfteten Räumen aufhalten und uns gegenseitig infizieren. Auch wird diskutiert, dass Kälte unser Immunsystem schwächen und uns anfälliger für die Infektionen machen kann.

Auf der anderen Seite belegt die sogenannte Winterdepression, dass das Wetter, soweit man den mangelnden Sonnenschein von Herbst bis Frühjahr als solches bezeichnen möchte, durchaus krank machen kann. Manche Menschen leiden in dieser Zeit unter Energielosigkeit, Traurigkeit und einem extremen Bedürfnis nach Schlaf. Je näher man an einem der Pole lebt - je länger also die Zeit ist, in der man mit wenig Sonnenlicht auskommen muss - desto häufiger tritt die Krankheit auf.

Hohe Temperaturen im Sommer führen natürlich immer wieder zu Kreislaufproblemen, Hitzschlag und Sonnenstich, und hin und wieder erschlägt der Blitz einen Menschen. Doch es gibt nur wenige Todesopfer, welche die direkte Wetterwirkung fordert.

Viel größer dagegen ist die Zahl derjenigen, die überzeugt davon sind, das Wetter beeinflusse ihr Wohlbefinden oder mache sie gar krank. 20 bis 50 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass das Wetter etwa in Form von Luftdruck- oder Luftfeuchtigkeits-Schwankungen, Föhn, Hitzewellen oder Gewittern Einfluss auf ihre Gesundheit hat.

Keine Krankheit im eigentlichen Sinne

Besonders Ältere sind überzeugt davon, dass zum Beispiel bei einem Sturm oder einem Kälteeinbruch vor allem Kopfschmerzen und Migräne auftreten. Weitere Symptome sind vor allem Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Müdigkeit, Gelenkschmerzen, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Narbenschmerzen.

Fachleute sprechen hier von Wetterfühligkeit. Und um herauszufinden, was dahinter steckt, beschäftigt sich inzwischen eine eigene Wissenschaft mit dem Einfluss des Wetters auf den Menschen: die Medizinmeteorologie.

Von einer Krankheit im eigentlichen Sinne sprechen die Experten allerdings nicht. Sie gehen vielmehr davon aus, dass es Menschen gibt, bei denen äußere Faktoren stärker auf das sogenannte vegetative Nervensystem wirken, das unter anderem Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Stoffwechsel kontrolliert.

Doch im Unterschied zu den meisten Leiden, die als Krankheiten anerkannt sind, lässt sich bei der Wetterfühligkeit keine krankhafte Veränderung an den Organen feststellen, so dass die Leiden nicht ursächlich behandelt werden können. Immerhin kann man manche solcher Symptome wie Schmerzen mit Medikamenten behandeln. Und man kann versuchen, sich abzuhärten, indem man sich den Wetterreizen regelmäßig aussetzt.

Andererseits können die Symptome auch darauf hindeuten, dass der Körper aufgrund einer vom Wetter unabhängigen Krankheit geschwächt ist. Denn tatsächlich gibt es Patienten, die besonders über Wetterveränderungen klagen.

Besonders betroffen sind Rheumatiker sowie Patienten mit Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Asthma. Deshalb sprechen Fachleute neben der Wetterfühligkeit von einer Wetterempfindlichkeit. Dazu gehören aber auch Menschen mit verheilten Verletzungen, bei denen Narben oder Knochenbruchstellen schmerzen können.

Unklare Ursache

Was aber löst die Beschwerden nun wirklich aus? Eine abschließende Erkenntnis gibt es noch nicht. Bei vielen Betroffenen treten die Symptome bei Wetterumschwüngen auf, also bei Übergängen von Tief- zu Hochdruck und umgekehrt. Dann gibt es noch den berühmten Föhn, einen warmen, trockenen Fallwind am Alpennordrand, der ebenfalls mit Druckveränderungen einhergeht.

Das bedeutet, innerhalb kurzer Zeit erwärmt sich die Luft oder sie kühlt sich ab. Und je nachdem, in welche Richtung das Barometer geht, kann auch der Blutdruck sinken oder steigen - mit unangenehmen Folgen besonders für vorbelastete Menschen. Doch auch die Temperatur, die Windstärke, die Luftfeuchte und selbst der Bewölkungsgrad scheinen Faktoren zu sein.

Darüber hinaus wird diskutiert, ob sogenannte Sferics (Atmosphärische Impulsstrahlung, AIS) eine Rolle spielen. Das sind elektromagnetische Felder, die vor Gewittern auftreten und sich als Wellen in der Atmosphäre ausbreiten. Diese Impulse scheinen einen Einfluss auf die Gehirnströme zu haben. Wissenschaftlich geklärt ist der mögliche Zusammenhang zwischen den Sferics und der Wetterfühligkeit allerdings nicht.

Bislang lässt sich demnach sagen: Sieht man von Winterdepressionen oder direkten Wetterreaktionen wie Hitzschlag ab, macht uns das Wetter nicht krank. Vielmehr reagiert der menschliche Organismus auf Wetterreize, und bei vielen Personen wirkt sich dieser Effekt unangenehm bis schmerzhaft aus. Zu einem organischen Schaden kommt es dabei offenbar nicht. Und bei manchen Menschen verstärken Wetterveränderungen die Auswirkungen bereits bestehender Krankheiten oder Verletzungen.

Wer unter Wetterfühligkeit leidet, kann übrigens versuchen, seinen Organismus besser auf das Wetter einzustellen, indem er oder sie sich häufiger im Freien bewegt, und seinen Körper überhaupt in Schuss hält. Das beste Mittel gegen das Leiden ist - wie so häufig - ein gesundheitsbewusster Lebensstil. Und wer unter Krankheiten leidet, die durch das Wetter verstärkt werden können, sollte auf den Wetterbericht achten und zum Beispiel während heißer Tage Anstrengungen vermeiden. Sonstige Maßnahmen sollten mit einem Arzt abgesprochen werden.

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