Erster H5N1-Fall bei Nutztieren:Vogelgrippe auf deutschem Geflügelhof

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Insgesamt waren auf dem größten Geflügelbetrieb Sachsens in der Nähe von Leipzig mehr als 16.000 Tiere registriert. Sie müssen alle getötet werden. Bundeskanzlerin Merkel bezeichnete die Lage als ernst.

Tina Baier

Das gefährliche Vogelgrippevirus H5N1 ist erstmals in Deutschland bei Nutzgeflügel nachgewiesen worden.

Die sächsischen Behörden hatten den Betrieb bereits am Dienstagabend gesperrt und richteten die gesetzlichen Sperr- und Beobachtungszonen im Umkreis von drei und zehn Kilometern ein.

Die Proben aus dem Geflügelbetrieb in Wermsdorf bei Leipzig wurden im nationalen Referenzlabor des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems untersucht. "Wir haben das hochpathogene Virus vom Subtyp H5N1 nachgewiesen", bestätigte die Leiterin Ortrud Werner der Süddeutschen Zeitung.

Nach Angaben der sächsischen Sozialministerin Helma Orosz handelt es sich um den größten Geflügelzuchtbetrieb Sachsens. Das Unternehmen musste seine Tiere aufgrund einer Ausnahmegenehmigung offenbar nicht in den Stall sperren.

Alle Vögel seien aber ständig amtstierärztlich untersucht worden, sagte Orosz. Schon am Dienstag war bei Tieren in einem Putenstall des Betriebs ein Influenza-A-Virus vom Typ H5 festgestellt worden. Am selben Tag waren bereits zehn Prozent der 1400 Puten in dem Stall verendet, bis Mittwoch war die Hälfte der Tiere tot.

Noch am Mittwoch wurde damit begonnen, alle 16.000 Tiere des Betriebs zu keulen: 8000 Puten, 5000 Gänse und 3000 Hühner.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, es werde alles getan, um eine Ausbreitung zu verhindern. "Es ist sehr bedauerlich, dass das Virus einen Nutztierbestand befallen hat", sagte die Kanzlerin. Die Konsequenz müsse sein, alle Regeln der Europäischen Union in Bezug auf die Tierseuche auch wirklich ganz bewusst einzuhalten.

Schutzzonen eingerichtet

In Sachsen nahm ein Krisenstab der Staatsregierung seine Arbeit auf. Um den betroffenen Betrieb wurden Schutzzonen eingerichtet. Danach gilt drei Kilometer um den Geflügelhof eine Sperrzone.

Oberstes Ziel sei es jetzt, das Seuchengeschehen lokal zu begrenzen, sagte eine Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts.

Unklar ist bisher, wie das Virus in den Bestand gelangen konnte. In Sachsen wurde bisher noch kein Wildvogel positiv auf den H5N1-Erreger getestet. Ein Epidemiologe des Riemser Instituts wird von diesem Donnerstag an untersuchen, wie das Virus in den Bestand eingeschleppt worden ist. Außer Wildvögeln kommen auch Transporte, Stall-Streu oder Futter als Überträger in Frage.

"Ich gehe davon aus, dass wir eine Weile mit dem Virus leben müssen und dass es immer wieder zu neuen Ausbrüchen kommen wird", sagt der Influenza-Experte Hans-Dieter Klenk von der Universität Marburg. Entgegen der bisherigen Strategie der Bundesregierung empfiehlt Klenk deshalb auch eine Impfung von Nutzgeflügel.

"Ausschließlich zu keulen ist nur sinnvoll, wenn es sich um einen einmaligen Ausbruch handelt", sagt er.

Am diesem Donnerstag wird der Veterinärausschuss der Europäischen Union über Handelsbeschränkungen beraten. Die möglichen Maßnahmen reichen nach Angaben eines Sprechers aus dem Bundesverbraucherministerium bis hin zu einem Exportverbot für Geflügelprodukte.

Denkbar seien auch örtliche Sanktionen, die nur das Land Sachsen beträfen. Die deutsche Geflügelwirtschaft, die schon vor dem Ausbruch in Sachsen 30 Prozent weniger Fleisch verkauft hat, befürchtet weitere Einbußen.

© SZ vom 6.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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