Eröffnungsrede in Lindau:"Die Welt wartet auf uns"

Lesezeit: 2 min

In politisch instabilen Zeiten müssen Forscher Antworten liefern, findet Nobelpreisträger Brian Schmidt.

Von Johanna Pfund

Brian Schmidt hat die jungen Wissenschaftler in seiner Eröffnungsrede in Lindau dazu aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen. Angesichts sozialer und politischer Instabilität, falscher Fakten und eines Internets, in dem jeder eine Stimme habe, sei es schwierig, die wirklich wichtigen Dinge zu hören. Daher komme der Wissenschaft eine große Rolle zu. "Wir haben das Wissen und die Werkzeuge, um die Bedingungen zu verbessern", betonte der Physiknobelpreisträger von 2011.

Schmidt, Vizekanzler der Australian National University, zeichnete ein düsteres Bild vom Zustand der Welt. "Wir leben in interessanten Zeiten", erklärte er. Politische Kräfte verzerrten die Welt, der Populismus sei auf dem Vormarsch. Auch der Vorrat an Ressourcen schwinde. Andererseits sieht der Astrophysiker durchaus Grund zur Hoffnung: Die weltweite Armut gehe zurück, die Sterblichkeitsrate sinke. In Australien sei es jetzt etwa schon dreimal billiger, Strom mit Photovoltaik statt mit Kohle zu erzeugen. "Es gibt nichts, was nicht lösbar wäre", betonte der 52-Jährige.

Sein Rat an den versammelten Nachwuchs in Lindau: Übernehmt Verantwortung. "Wenn sich die politische Welt wieder beruhigt, dann werden wir die Antworten haben."

"Wir hängen in der Arbeit voneinander ab. Jedes noch so kleine Stück zählt."

Zugleich rief Schmidt die Wissenschaftler dazu auf, Vorbehalte über Bord zu werfen. Kurzfristiges Denken behindere, erklärte er. Auch forderte er alle Wissenschaftler dazu auf, ihre Erkenntnisse zu teilen: "Wir hängen in unserer Arbeit voneinander ab, jedes kleine Stück zählt, und zwar wesentlich öfter, als ihr denkt." An der Entwicklung des Smartphones etwa seien Hunderte und Hunderte Menschen beteiligt gewesen. "Teilt, und sorgt dafür, dass die Leute eure Ideen nutzen können." Nur so könne man den Fortschritt maximieren. Überhaupt könnten die Veränderungen in der Welt viel schneller kommen als gedacht.

Aber auch zur Demut mahnte der Laureat. "Macht euch eure eigenen Begrenzungen und Glaubenssätze bewusst." Vieles sei im Gehirn fest verankert, etwa die Vorurteile gegen Frauen. Solche Annahmen müsse man ständig hinterfragen. Und trotzdem mutig sein: "2019 müssen wir einen Unterschied machen, die Welt wartet auf uns."

Es war nicht der erste Appell, den der Physiknobelpreisträger von Lindau aus an die Welt richtete. Vor vier Jahren zählte Schmidt zu den Mitinitiatoren der Mainauer Deklaration zum Klimawandel. Darin riefen die Unterzeichner, mittlerweile 76 Laureaten, die Politiker der Welt dazu auf, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Ein Jahr später, 2016, gab es eine Mainauer Deklaration zur Grünen Gentechnik, in der die Unterzeichner forderten, die Gentechnik als Chance zu begreifen gegen Hunger und Armut.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: