Eröffnung :Zahlen, bitte!

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Vom Heidelberger Marathon zur Eröffnung des Forums kamen Ellen Gilkerson und Ehemann Leslie Lamport (li.), Heidelbergs Bürgermeister Eckart Würzner (4. v .li.) und der Bürgermeister von Palo Alto, Gregory Scharff mit Ehefrau Dorit (5. v .li.). Ganz rechts Jeff Dean, Chefinformatiker von Google. (Foto: Heidelberg Laureate Forum Foundation/Christian Flemming)

Beim Heidelberg Laureate Forum demonstrieren herausragende Mathematiker und Informatiker aus aller Welt Leidenschaft für ihre oft abstrakte Forschung.

Von Johanna Pfund

Die Woche in Heidelberg hat gut angefangen für Jeff Dean und Leslie Lamport. Die beiden sind am Sonntagvormittag erst einmal zehn Kilometer durch die Stadt gelaufen und wurden bejubelt - wie Hunderte anderer Sportler, die Marathon-Distanz, Halbmarathon oder eben die zehn Kilometer absolvierten. Am Nachmittag waren die beiden wieder fit zur Eröffnung des Heidelberg Laureate Forums (HLF) in der Neuen Universität und wurden ein weiteres Mal bejubelt: Denn der 49-jährige Dean und der 76-jährige Lamport zählen zu den preisgekrönten Mathematikern und Informatikern, die diese Woche gemeinsam mit 200 Nachwuchswissenschaftlern über Themen wie Quantencomputer oder Systemdesign, das interplanetare Internet oder Mathematische Theorien der Kommunikation sprechen.

Googles führender Programmierer geht in Heidelberg erst mal laufen

Alles keine leichte Kost, aber in der Fachwelt spannend - und im Prinzip auch im Alltag. Letztendlich sind in Heidelberg Wissenschaftler zu Gast, die die alltägliche Kommunikation revolutioniert haben, die aber oft nur wenigen Eingeweihten bekannt sind. Da ist Vinton Cerf, gemeinsam mit Robert Kahn Erfinder des TCP/IP-Protokolls, da sind die Erfinder moderner Verschlüsselung in der elektronischen Kommunikation, Whitfield Diffie und Martin Hellman. Oder eben Lamport, der in den späten Siebzigerjahren mit Diffie das Einmal-Signaturverfahren entwickelt hat; zugleich auch abstraktere Dinge wie die Temporale Logik der Aktionen. Dean, Mitstreiter von Lamport beim Rennen in Heidelberg, zählt zu Googles führenden Programmierern und befasst sich mit künstlicher Intelligenz, doch das war in der Lauf-Ausrüstung für die Zuschauer vermutlich nicht zu erkennen.

Für die Nachwuchswissenschaftler, die aus 50 Ländern stammen, ist das Forum eine einmalige Gelegenheit, die Vorbilder direkt zu sprechen. "Ich will viele treffen und kennenlernen", sagt der Spanier Ismael Sierra del Río. 19 Jahre ist er alt, sein T-Shirt weist ihn als Teilnehmer eines Mathe-Wettbewerbs aus. Gekommen ist er auf Empfehlung eines Großen aus der Mathe- und Informatikwelt: Michael Francis Atiyah. Der Brite bewies unter anderem den Atiyah-Singer-Indexsatz und gilt auch als Vermittler zwischen Mathematik und Physik.

Mit Atiyah will Benjamin Morley aus Großbritannien in dieser Woche auf jeden Fall das Gespräch suchen. Dem 22-Jährigen, der in Cambridge derzeit an seinem Master in Mathematik arbeitet, liegt allerdings nicht nur am Austausch von Zahlen. "Ich möchte Ideen hören, Standpunkte. Mich interessiert ihre Denkweise, ihre Herangehensweise", sagt Morley, der sich eine akademische Karriere vorstellen kann.

Henry Nathaniel Corrigan-Gibbs ist vom Laureaten Martin Hellman auf Heidelberg aufmerksam gemacht worden. Corrigan-Gibbs arbeitet an der Universität Stanford an seinem Doktor, Fachgebiet Kryptografie. Da ist der Weg zu Hellman und Diffie vorgezeichnet. Der 29-Jährige wünscht sich viele Gespräche, nicht nur über unumkehrbare Gleichungen, sondern darüber, wie ein Forscherleben aussieht oder wie eine Karriere verlaufen kann.

Einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage gab Professor Kurt Mehlhorn, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücken, nach Grußworten von der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und von Professor Bernhard Eitel, Präsident der Universität Heidelberg. Mehlhorn sprach über geprüfte Algorithmen. Er traue seinen Programmen nicht immer, sagte Mehlhorn und lieferte schöne Beispiele. "Programme müssen ihre Antworten erklären", betonte Mehlhorn. Alle anderen Algorithmen seien nicht gut.

Eine durchaus gute Nachricht hatten Beate Spiegel, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Heidelberg Laureate Forum Foundation (HLFF), und Andreas Reuter, wissenschaftlicher Vorstand der HLFF, zum Auftakt am Sonntag zu verkünden: Es wird das Forum weiterhin geben. Ursprünglich hätte das fünfte Treffen auch das letzte sein sollen, wie Reuter sagt. Die Klaus-Tschira-Stiftung, deren Geschäftsführerin Spiegel ebenfalls ist, wird das HLF jedoch weiter unterstützen. Der Kooperationsvertrag mit den preisverleihenden Institutionen - Norwegian Academy of Science and Letters (Abel-Preis), Association for Computing Machinery (ACM A. M. Turing Award und ACM Prize in Computing), International Mathematical Union (Fields-Medaille und Nevanlinna-Preis) - wird verlängert. Die Unterzeichnung fand direkt noch am Sonntagabend statt.

Ebenfalls fortgesetzt wird die Zusammenarbeit mit der Nobelpreisträgertagung in Lindau. "Wir werden die Verbindung zwischen Lindau und Heidelberg aufrechterhalten", verspricht Bettina Gräfin Bernadotte, Präsidentin des Kuratoriums der Nobelpreisträgertagung. Lindau hatte Klaus Tschira vor sechs Jahren ja dazu inspiriert, ein ähnliches Treffen in Heidelberg für Mathematiker und Informatiker ins Leben zu rufen. Nun reist alljährlich ein Laureat zur jeweils anderen Tagung, um eine Gastvorlesung zu halten.

Am Montag spricht der israelische Biochemiker Aaron Ciechanover, Chemie-Nobelpreisträger 2004, in Heidelberg über personalisierte Medizin. Dann aber geht es wieder um Informatik und Mathematik. Im Sinne vieler Laureaten. Vicki L. Hanson, Präsidentin von ACM, zitiert einen Preisträger: "Die große Belohnung ist nicht die Auszeichnung, sondern die Arbeit selbst." Die pure Freude an Zahlen.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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