Erdbeben auf Haiti:Hiroshima mal acht

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Haiti liegt an zwei Erdplatten, die sich gegenläufig bewegen. An der Bruchlinie hat sich jetzt die aufgestaute Energie einiger Jahrhunderte entladen.

Christopher Schrader

Die Natur hat es nicht gut mit Haiti gemeint. Der Karibikstaat ist nicht nur der ärmste der westlichen Hemisphäre, von Diktatoren ausgeplündert, von Gewalt zerrüttet - er liegt auch in der Zugbahn atlantischer Hurrikane und ist zwischen zwei Erdbebenzonen gefangen. An seiner Nordküste verläuft die Septentrional-Spalte, die zur Grenze zwischen der Karibischen und Nordamerikanischen Erdplatte gehört. Und im Süden zieht sich direkt unter der langen Tiburon-Halbinsel mit der Hauptstadt Port-au-Prince eine weitere Spalte entlang, die Enriquillo-Plantain-Verwerfung. An beiden Bruchlinien reiben sich Erdplatten aneinander, die sich in verschiedene Richtungen bewegen.

Die Natur hat es nicht gut gemeint mit Haiti. (Foto: Foto: SZ Infografik)

Haiti liegt wie Jamaika und Puerto Rico, aber anders als das benachbarte Kuba, am Nordrand der Karibischen Erdplatte. Diese bewegt sich mit 20 Millimetern pro Jahr nach Osten. Sie reicht von Haiti bis an die Küste Venezuelas, und von den Antillen bis zur Pazifikküste Zentralamerikas. Dabei ist die karibische Platte kein homogenes Gebilde, sondern selbst vielfach zersplittert. Unter dem Boden Haitis gibt es diagonale Verbindungen der beiden weitgehend parallelen Bruchlinien.

Offenbar hatten sich die beweglichen Teile des Untergrunds an der südlichen Verwerfung mindestens seit dem letzten großen Erdbeben im Jahr 1860 verhakt. Um einige Meter hätten sich die Plattenseitdem eigentlich gegeneinander verschieben müssen, nun hat sich die Spannung mit einem Schlag entladen. Das Resultat war ein Erdbeben der Stärke 7,1 mit einem Epizentrum etwa 15 Kilometer südöstlich von Port-au-Prince.

Dabei wurde die Energie von acht Hiroshima-Bomben frei, hat der Seismologe Jochen Zschau vom Geoforschungszentrum in Potsdam ausgerechnet. Die Erde bewegte sich plötzlich im Fußgängertempo unter den Mauern und Menschen weg, hat der amerikanische Geologische Dienst USGS gemessen. Im Untergrund hatten sich die Erdteile nach vorläufigen Analysen des USGS um bis zu vier Meter verschoben. Etwa 40 Sekunden lang raste der Bruch einige zig Kilometer durch das Gestein. So lange bebte an der Oberfläche die Erde, wo die Menschen im Freien Schutz suchten.

Besonders verhängnisvoll war das Beben auch, weil es relativ flach unter der Oberfläche ausbrach. "Die Energie kam daher konzentriert und kaum abgeschwächt oben an", sagt Thomas Plenefisch von der Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover. Dabei hätte das Erdbeben sogar stärker ausfallen können, ergänzt der amerikanische Seismologe William McCann im Magazin Science: Diesmal habe sich nur ein Teil jener Spalte geöffnet, die 1770 ein 20-mal so starkes Erdbeben ausgelöst habe.

© SZ vom 15.01.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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