Diskussion:Raus aus dem Labor

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Beim Science Breakfast in Lindau, zu dem das Gastland Mexiko geladen hat, diskutieren junge und etablierte Wissenschaftler darüber, wie sie ihre Erkenntnisse der Gesellschaft und der Politik vermitteln können.

Von Johanna Pfund

Wissenschaftler müssen die engen akademischen Kreise verlassen, ihre Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit teilen und dafür sorgen, dass diese Fakten in politischen Entscheidungen auch eine Rolle spielen. So weit, so einfach. Dass der Weg zum effizienten Austausch zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und politischen Entscheidungsträgern noch lang ist, zeigte sich am Montag beim Science Breakfast in Lindau, zu dem das diesjährige Partnerland der Tagung, Mexiko, eingeladen hatte.

"Es liegt in der Verantwortung der Wissenschaft, näher an die Politik zu kommen."

"Kommunikation ist eines der Hauptprobleme", stellte Arturo Borja, Direktor für internationale Zusammenarbeit des nationalen Forschungs- und Technologierats (Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología, kurz: Conacyt) fest. Andererseits sei es Aufgabe der Wissenschaft, der Politik mit Rat zur Seite zu stehen, wie José Franco, Physiker an der Universität UNAM in Mexiko-Stadt ausführte. "Das ist sehr wichtig geworden." Doch es könnte schwierig werden, auf offene Ohren zu stoßen. Franco hat die Ausbildung der mexikanischen Kongresspolitiker analysiert - ein Großteil der Parlamentarier hat seiner Statistik zufolge Recht, Politische Wissenschaften oder Management studiert, Naturwissenschaftler oder Ingenieure seien kaum vertreten, man könne also nicht damit rechnen, dass naturwissenschaftliche Fakten bei Entscheidungen automatisch berücksichtigt werden: "Es liegt daher in der Verantwortung der Wissenschaftler, näher an die Politik zu kommen." Einfach sei das aber nicht, meinte Franco. Das Verhältnis sei nicht gerade geprägt von gegenseitigem Vertrauen, ebenso sei der Zeithorizont recht unterschiedlich gefasst: Politiker denken in Wahlperioden, Wissenschaftler nicht.

Das ist aber keine Entschuldigung. So sieht es Mario Molina, der einzige Träger eines wissenschaftlichen Nobelpreises, den Mexiko jemals hatte. Der Chemiker appellierte an die Forscher, sich deutlich zu äußern - auch wenn die Trump-Administration in den USA derzeit jeden wissenschaftlichen Rat in den Wind schlage. "Glücklicherweise hören aber viele Städte und Unternehmen auf die Wissenschaft", betonte Molina. Und es sei unbedingt wichtig, die öffentliche Meinung zu ändern und direkt an die Öffentlichkeit zu gehen. Mit einer Voraussetzung: "Wir müssen lernen, in einer einfachen Sprache zu reden."

Und letztlich finden die Ergebnisse der Forscher ja doch über kurz oder lang Eingang in den Alltag, in die Kultur. "Die Wissenschaft hat einen enormen Beitrag zur Zivilisation geleistet. Die Lebenserwartung hat sich verdoppelt, fast jeder besitzt ein Telefon mit mehr Rechenleistung, als es die erste Raumfähre hatte", sagte Molina. Kurzum, die Wissenschaft sei immer verbunden mit Politik und Wirtschaft. "Sie ist weder gut noch böse." Das Verrückte sei, dass die Wissenschaft rational sei, aber manche Menschen doch nicht daran glaubten. "Wir leben in einer besonders herausfordernden Zeit für Wissenschaftler."

Mexiko selbst hat in puncto Forschung mit seinen ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. "Bei uns war es nicht üblich, die Arbeit von Unternehmen mit der von Universitäten oder Forschungszentren zu verknüpfen", erzählte Arturo Borja im Gespräch. Ein Ziel von Conacyt sei es daher, die Unternehmen zu unterstützen, die gemeinsam mit Unis oder Forschungszentren an Innovationen - gleich ob es sich um Prozesse oder neue Produkte handelt - arbeiteten. Denn es fehle an Innovation. "Das ist die große Herausforderung für uns." Mexiko stelle zwar viele Autos her, unter anderem für deutsche Hersteller wie Volkswagen oder BMW - doch nach fertigen Bauplänen. "Wir brauchen unsere eigene Technologie", betont Borja. Steuerliche Vorteile setzten zusätzlich Innovationsanreize. Ein weiteres Problem, die Korruption, will das Land mit Reformen angehen. Immerhin habe sich einiges getan, es gebe jetzt auch freie Wahlen.

Ein Zentrum der Wissenschaft in Mexiko ist die Nationale Autonome Universität von Mexiko (Unam) mit Sitz in Mexiko-Stadt. Die Einrichtung, 1910 gegründet zählt mehr als 340 000 Studenten. Die Vorläuferin der Uni wurde Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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