Das erste Veto des Präsidenten:Bush gegen Zuschüsse für Stammzellen-Forschung

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70 Prozent der Amerikaner unterstützen die Stammzellen-Forschung, doch der Präsident ist als gläubiger Christ dagegen und setzt sich sogar über seine eigenen Parteifreunde hinweg.

Christian Wernicke

Knapp vier Monate ist es her, da stellte George W. Bush einen Rekord auf: Mit Ausnahme von Thomas Jefferson - dem weisen Gründervater, der Anfang des 19. Jahrhunderts die USA regierte - verzichtete keiner seiner Vorgänger so beharrlich auf das Privileg, lästige Initiativen vom Kapitolshügel per Veto zu stoppen.

Entfernung von Chromosomen aus einer Eizelle. (Foto: Foto: ddp)

1116 Gesetzesvorlagen hat Bush in fünfeinhalbjähriger Amtszeit abgezeichnet. Doch ausgerechnet jetzt, da die Kongresswahlen nahen, wird Bush sein eigenes Tabu brechen - und gegen den Willen auch von Parteifreunden einen Vorstoß blockieren, den mehr als 70 Prozent seiner Bürger unterstützen.

Drängen auf Fortschritt

Bush, der gläubige Christ, ist gegen staatliche Zuschüsse für die Stammzellen-Forschung. Das hat er bereits im August 2001 klar gemacht, als er die ethisch umstrittene Arbeit mit Embryonen auf jene 22 Zell-Linien beschränkte, die schon zuvor in Labors genutzt wurden.

Fast sämtliche Demokraten und viele Republikaner drängen inzwischen im Namen des medizinischen Fortschritts auf Nachschub: Geld aus dem Bundeshaushalt soll künftig auch die Forschung mit Zellen jener etwa 400 000 Embryonen fördern, die bisher in den Gefrierschränken von Fertilitätskliniken lagern und irgendwann sowieso zerstört würden. Eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses verspricht sich davon Hilfe im Kampf gegen Krebs, Alzheimer oder Parkinson.

"Jedes Adler-Ei ist besser geschützt als ein Embryo"

Das Repräsentantenhaus hat den Gesetzentwurf längst gebilligt, am Dienstagabend folgte auch der Senat - nach leidenschaftlicher Debatte. Sam Brownback, ein religiös-rechter Senator aus Kansas, warf seinen Kollegen vor, jedes Adler-Ei würde besser geschützt als menschliche Embryonen. Das empörte viele seiner Parteifreunde, auch den sonst Bush-treuen Arzt und Mehrheitsführer im Senat Bill Frist.

Und Arlen Specter, der erst kürzlich von Lymphdrüsenkrebs genesene Vorsitzende des Justizausschusses, verglich den Widerstand des Präsidenten gegen die Stammzellenforschung mit früheren Vorbehalten der Menschheit etwa gegen Elektrizität oder Eisenbahn.

Nur, die klare Senatsmehrheit von 63 Ja- gegen 37 Neinstimmen ändert wenig. Denn nach dem nun fälligen Erst-Veto des Präsidenten müssten Repräsentantenhaus und Senat jeweils Zwei-Drittel-Mehrheiten mobilisieren, um ihren Präsidenten niederzustimmen. Vor diesem dann zweiten Er(n)stfall schrecken viele Republikaner zurück.

© SZ vom 19. Juli 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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