Bücher:Megacities und Marathon

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Millionen Menschen im Kampf um die wichtigste Ressource: Platz, die Qualen des Langstreckenläufers und ein Plädoyer für mehr Kreativität. Unsere Buchtipps.

GROSSE-STÄDTE-TOUR

(Foto: N/A)

Dicht gedrängt sitzen die Händler am Straßenrand in Mexiko City, verborgen unter Sonnenschirmen. Wer hier seine Waren anbietet, existiert offiziell gar nicht in der 19-Millionen-Stadt. Und doch halten die 25.000 informellen Händler die Wirtschaft in Gang.

Ähnlich geht es in anderen Megastädten zu, in denen wie in Tokio bis zu 35 Millionen Menschen um die wichtigste Ressource konkurrieren: Platz. 26.000 Menschen pro Quadratkilometer leben in Shanghai. Seit 1980 ist dort die Zahl der Gebäude mit mehr als acht Geschossen von 121 auf über 10.000 gestiegen. Nicht nur dank der Fakten ist "The Endless City" ein herausragendes Buch. Vor allem die Darstellung ist gelungen: Die Grafiken sind übersichtlich, die englischen Texte gut zu lesen, die Bilder eindrucksvoll. Nur die Menschen kommen etwas zu kurz.

Ideale Ergänzung ist da Hans Eijkelbooms dreigliedriger Bildband "Paris, New York, Shanghai". Immer hat er die gleichen Motive gewählt: Taxifahrer, Geschäftsleute, Menschen im Café. Man kann das Buch zweimal aufklappen und so die drei Stadt-Welten unmittelbar vergleichen. "Wenn ich ein Besucher von einem anderen Stern wäre und Informationen über das Leben in Städten suchte, würde ich Eijkelboom engagieren", schreibt der Fotograf Martin Parr im Vorwort.

The Endless City, Phaidon, 59,95 Euro und Paris, New York, Shanghai, von Hans Eijkelboom, www.aperture.org, ca. 39 Euro

FUSS BIS KOPF

Es ist keine Laufschule, kein Fitnessbuch, kein medizinischer Ratgeber. Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami schreibt nur über persönliche Erfahrungen mit seinem Lieblingssport. Und diese klingen eher nach Marter und endlosen Qualen: Zehn Kilometer pro Tag läuft Murakami durchschnittlich, seine Muskeln seien oft so verhärtet, dass er sie regelrecht weich klopfen müsse. Dabei lohne sich das Training sportlich kaum: Seit Jahren werden Murakamis Marathonzeiten langsamer. Und doch geht eine große Faszination von diesem Buch aus: Man spürt den Rhythmus des Läufers, die Ruhe und die Leere, die er erreicht, und die Einsicht, dass man das Wesen vieler Dinge erst in der steten Wiederholung erkennt.

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede, von Haruki Murakami, Dumont, 16,90 Euro

FREIWILLIGE PFLICHTÜBUNG

Bei vielen Indianerstämmen darf man ein Geschenk nicht behalten, sondern muss das Präsent selbst oder etwas Gleichwertiges weitergeben. Wer gegen dieses Prinzip verstößt, ist der Gemeinschaft unwürdig. Ähnlich verhalte es sich mit der Kreativität, sagt der Essayist Lewis Hyde. Sie sei eine Gabe, die dem Beschenkten die Pflicht auferlege, sie zu nutzen. Man solle den Gedanken freien Lauf lassen und erst dann nach dem materiellen Wert des Tuns fragen, fordert Hyde in seinem mit viel anthropologischem und literarischem Wissen gespickten Plädoyer für mehr Kreativität.

Die Gabe, von Lewis Hyde, S. Fischer, 22,90 Euro

Präsentiert vom Piper-Verlag

© SZ Wissen, Ausgabe 6/2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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