Bücher:Evolution und das Vatikanische Geheimarchiv

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Vom Pakt mit dem Bösen, dem Vogelkenner und der afrikanischen Tragödie - unsere Buchtipps.

DER VOGELKENNER

(Foto: N/A)

Er habe nie richtig zeichnen gelernt, musste sich Charley Harper sagen lassen, als er der Werbeabteilung von Procter & Gamble seine Skizzen einer 2glücklichen Hausfrau2 zeigte. Eine seltene Zurückweisung war das für den großen Illustrator, der in fast sechs Jahrzehnten bis zu seinem Tod im Jahr 2007 die Kunst des Weglassens perfektioniert hat. Wenn er einen Vogel male, zähle er nicht die Federn, sondern nur die Flügel, sagte Harper. Bekannt wurde er vor allem durch Illustrationen im "Giant Golden Book of Biology" und seine Vogelzeichnungen in "Birds & Words". Einige wenige geometrische Figuren, ein paar Striche und klare, fast frech wirkende Farben - das genügte Charley Harper, um die Pracht eines Schmuckreihers darzustellen oder auch die menschliche Lunge zu erklären, wie der überwältigende Bildband beweist.

Charley Harper: An Illustrated Life, von Todd Oldham, Ammo Books, 195 Euro

DAS SPIEL MIT DER EVOLUTION

Das Zeitalter der Langeweile - das der Menschen - ist besiegt. Die Welt gehört den Tieren, und zwar recht seltsamen: dem Löwen und neuen Herrscher Cyrus Golden, dem Wolf Dmitri und dem Fuchs Ryuneke Nirgendwo, der materielos durch die neue Zivilisation wabert. Vorbei sind die Zeiten, als sich Lebewesen den Naturgesetzen von Raum und Zeit beugen mussten. Doch jenseits des Atlantiks rüsten sich rätselhafte Maschinenwesen schon für das nächste Äon - der nächste Kampf steht an. Dietmar Dath spielt in seinem Roman mit allen Möglichkeiten und Raffinessen der Evolution. Jede Gesellschaftsordnung hat ihre Zeit und ihre ganz eigenen Gesetze. Mit großer Lust erfindet Dietmar Dath neue, komplexe Systeme, wobei es für den Leser nicht immer einfach ist, ihm in seinen Anspielungen zu folgen.

Die Abschaffung der Arten, von Dietmar Dath, Suhrkamp, 24,80 Euro

DIE ERSTEN BAUERN

Die Frage ist so simpel wie vielschichtig: Warum wurden die Menschen vor mehr als 10 000 Jahren sesshaft? Warum veränderten sie zunächst in wenigen Regionen der Welt ihre Jahrmillionen alten Gewohnheiten, hörten auf, herumzuziehen und zu jagen, domestizierten Getreide und Tiere? Die scheinbar simple Antwort: Weil es den Menschen einen Vorteil brachte. Josef H. Reichholf begnügt sich in seinem anekdotenreich geschriebenen Buch aber nicht mit dieser einfachen Ebene, er erforscht die Lebensbedingungen im Detail, auch indem er die Unterlegenen der Menschheitsgeschichte betrachtet: Neandertaler, Indianer, Aborigines. Es ist ein Buch, das nicht nur auf die Kraft stichhaltiger Argumente vertraut, sondern längst vergangene Lebenswelten eindrucksvoll rekonstruiert.

Warum die Menschen sesshaft wurden, von Josef H. Reichholf, S. Fischer, 19,90 Euro

DIE AFRIKANISCHE TRAGÖDIE

Das Flugzeug schwebt über das Buschland, sein Schattenumriss zeichnet sich auf der ausgetrockneten Erde ab. Doch nur einen Moment bleibt dieser Eindruck der sanft über die afrikanische Weite gleitenden Maschine, dann erkennt man den toten Elefanten, das getrocknete Blut und die Knochen erlegter Tiere. Mehr als fünfzig Jahre sind diese Aufnahmen alt. Peter Beard reiste damals nach Afrika und fand einen Kontinent mit üppigem Tierbestand und dünner Besiedlung vor, eine kaum berührte Natur. Doch auf seiner Reise spürte er, dass sich dieser Kontinent nicht zuletzt durch den Einfluss der Weißen im Niedergang befand. Peter Beards großartiges Buch hat bis heute nichts von seiner Wucht verloren. In Bildern und Texten entlarvt er, dass viele Menschen, die vorgeben, Afrika helfen zu wollen, nur mit sich selber beschäftigt sind.

Die letzte Jagd, von Peter Beard, Taschen, 29,99 Euro

Weitere Tipps

PAKT MIT DEM BÖSEN

Auf der Basis kürzlich freigegebener Akten aus dem Vatikanischen Geheimarchiv schildert der Kirchenhistoriker Hubert Wolf, wie Eugenio Pacelli, seit 1939 besser bekannt als Papst Pius XII., die Beziehungen des Vatikans zum 3. Reich geprägt hat. Nach der Lektüre weiß man besser, wieso große Teile der katholischen Kirche im Umgang mit den Nazis versagten.

Papst & Teufel, von Hubert Wolf, C.H. Beck, 24,90 Euro

ALTE MEISTER

Schwarz gezeichnete Bisonherden, eingeritzte Pferdekörper und rot leuchtende Muster - im Bildband des Prähistorikers Jean Clottes kommt man den faszinierenden Werken unserer Vorfahren ganz nah. Der Betrachter sieht, wie die Künstler Unebenheiten ausgenützt haben, um Tierkörper räumlich hervortreten zu lassen und welches ausgeprägte Verständnis für Komposition sie hatten.

Cave Art, von Jean Clottes, Phaidon, 75 Euro.

FALLGESCHICHTE

Moritz Schreber hat im 19. Jahrhundert orthopädische Folterinstrumente wie den "Geradhalter" erfunden. Mit dieser Form körperlicher Ertüchtigung quälte der Namensgeber der Schrebergärten zunächst seine Kinder. Klaas Huizing erzählt einfühlsam die Geschichte von Schrebers Sohn Paul, der Jahre in der Psychiatrie verbrachte.

In Schrebers Garten, von Klaas Huizing, Knaus, 17,95 Euro

MUSIK UND GEHIRN

Seine Thesen zur Musik und wie sie es schafft, das Gehirn komplex zu verändern, verpackt Oliver Sacks - Neurologe und Meister literarischer Fallbeschreibungen - in verblüffende Patientengeschichten.

Der einarmige Pianist, von Oliver Sacks, Rowohlt, 19,90 Euro

Präsentiert vom Piper-Verlag

© SZ Wissen, Ausgabe 10/2008/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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