Biologie:Da leuchtet was

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Neueste Technik, aber geschoben wird von Hand: der an einem Wagen befestigte Fluoreszenz-Sensor auf einem Testfeld. (Foto: Forschungszentrum Jülich)

Satellitenaufnahmen von Chlorophyllfluoreszenz zeigen, wo Pflanzen wachsen und was sie belastet. Solche Daten könnten künftig Bauern helfen.

Von Andrea Hoferichter

Wenn Uwe Rascher vom Forschungszentrum Jülich über eine Wiese oder durch einen Wald spaziert, sieht er vermutlich schon mal rot. Zumindest vor seinem inneren Auge. "Zwar erscheinen uns Pflanzen grün, weil sie viel vom grünen Anteil des Sonnenlichts zurückspiegeln, aber dahinter geben Pflanzen auch immer ein rotes Leuchten ab", sagt der Wissenschaftler. Das Leuchten ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen, kann aber gemessen werden. Aus den Messdaten lässt sich ableiten, ob und woran Pflanzen leiden, schon bevor Blätter oder Halme braun und welk werden. Von solchen Messungen könnten künftig Klimaforscher und Landwirten profitieren, wie die Jülicher Forscher und internationale Kollegen kürzlich im Fachblatt Remote Sensing of Environment berichteten.

Das Leuchten, das Biologen Chlorophyllfluoreszenz nennen, ist im Grunde die Sonnenenergie, die bei der Photosynthese übrigbleibt. Die Pflanzen nehmen das Licht über ihren Blattfarbstoff Chlorophyll auf und verwandeln mit seiner Hilfe Kohlendioxid und Wasser in Sauerstoff und Traubenzucker, um zu wachsen. Läuft die Umwandlung nicht optimal, wird die überschüssige Energie unter anderem als rotes Licht wieder abgestrahlt. "In erster Annäherung gilt, dass eine gestresste Pflanze heller leuchtet", sagt Rascher. Pflanzen wehrten sich aber gegen den Stress und passten sich an, wodurch sich das Signal immer wieder verändere. Und die Art dieser Signalschwankungen verrate, was ihnen zu schaffen mache. Ob es etwa zu trocken ist, zu heiß oder zu kalt, ob Nährstoffe fehlen oder Schädlinge angreifen.

In fünf Jahren soll ein spezieller Fluoreszenz-Satellit der Esa die Arbeit aufnehmen

Das Phänomen ist schon seit rund 50 Jahren bekannt. Wurde das rote Leuchten zunächst nur direkt am Blatt gemessen, kann es heute auch aus größerer Entfernung von Masten oder Forschungsflugzeugen aus aufgenommen werden. Und gerade bereiten sich die Jülicher Forscher auf Messungen aus dem All vor. In fünf Jahren soll etwa 800 Kilometer über der Erde der Satellit Fluorescence Explorer, kurz: FLEX, der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA Fluoreszenzdaten aufnehmen. Mit dem Blick aus dem Orbit wollen die Wissenschaftler herausfinden, in welchen Regionen Ernteausfälle drohen und wie die globale Vegetation auf den Klimawandel reagiert.

FLEX wird die weltweit erste Satellitenmission sein, die eigens auf die Messung von Chlorophyllfluoreszenz ausgelegt ist. Sie soll globale Fluoreszenzkarten mit einer bisher unerreichten Auflösung von 300 mal 300 Metern liefern. Zurzeit filtern die Forscher Fluoreszenzdaten aus den Ergebnissen satellitengestützter Atmosphärenmessungen heraus, etwa der NASA-Satellitenmission OCO-2, die Kohlendioxid detektiert, oder des Sentinel-5P-Satelliten der ESA, der seit letztem Jahr in Betrieb ist, auch wenn dessen eigentliche Aufgabe die Erfassung umweltschädlicher Gase ist. Die räumlichen Auflösungen liegen im Kilometerbereich.

"Chlorophyllfluoreszenz ist weltweit ein heißes Forschungsthema", sagt Sophia Walther vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Schließlich verspreche man sich davon auch, die Kohlenstoffaufnahme durch die Vegetation besser als mit etablierten Methoden abschätzen zu können, und damit den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre.

Doch um künftig aus Weltraumdaten auf das Pflanzenbefinden rückschließen zu können, braucht Raschers Team Bezugsdaten von möglichst vielen verschiedenen Standorten. "Ein Eichenwald, ein Zuckerrübenfeld und ein Sportplatz zum Beispiel haben ganz unterschiedliche Strukturen und liefern deshalb auch andere Signale", erklärt der Wissenschaftler. Gemeinsam mit Forschern aus ganz Europa hat Raschers Team in den vergangenen Sommern das rote Leuchten verschiedener Wälder und von Feldern gemessen, auf denen Weizen, Zuckerrüben und Maispflanzen wuchsen. Der starke Hitze- und Trockenheitsstress in den Jahren 2015, 2017 und 2018 spiegele sich auch in den Messdaten wider, berichtet Rascher.

Auch Landwirte könnten künftig von bodennahen Fluoreszenzmessungen profitieren, wenn die Auflösung hoch genug ist. Problemzonen auf Äckern ließen sich dann deutlich früher aufspüren als bisher. Allerdings müssen die Geräte dafür noch leichter und billiger werden. Die Messtechnik für das Forschungsflugzeug etwa ist Rascher zufolge rund 150 Kilogramm schwer und kostet etwa eine Million Euro. Einen auf knapp sechs Kilogramm abgespeckten Prototypen haben die Forscher unter anderem auf Feldern in Arizona und an der Universität Bonn am Campus Klein Altendorf getestet. "Das ist unsere Spielwiese, wo wir mit unserer Messmethode unter anderem untersuchen, wie hitzeunempfindlich neu gezüchtete Getreidesorten sind", sagt Rascher. Die Messtechnik habe sich dort und auch auf Forschungsfeldern in Arizona bewährt und solle bald in die Anwendung kommen. Erste Gespräche mit europäischen Landmaschinenherstellern seien schon geführt worden. Noch leichtere Sensoren könnten auch von Drohnen aus Informationen liefern.

Das Team aus Jülich plant nun, das rote Leuchten von exotischeren Vegetationen zu messen, etwa von Tropenwäldern und Savannen, und jenes von küstennahen Gebieten, Flussmündungen und Seen. "Auch hier gibt es ja Pflanzen und Algen, die fluoreszieren", erklärt Rascher. Die Forscher arbeiten außerdem an Methoden, verschiedene Schädlingsarten als Stressauslöser unterscheiden zu können und daran, die Messergebnisse für Laien verständlich zu machen. "Wir wollen die Daten in Stressindizes übersetzen, also in Informationen, mit denen auch Landwirte oder Politiker etwas anfangen können", sagt der Wissenschaftler

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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