Bienen und Umweltgifte:Schwänzeltanzend zum Umweltschutz

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Bienen mit Mikrochips auf dem Rücken und Roboter sollen künftig im Team Umweltgifte aufspüren.

Robert Lücke

Es klingt wie die Idee zu einem Science-Fiction-Thriller. Ein kleines Insekt, versehen mit einem Mikrochip, sammelt Informationen über ein bestimmtes Gebiet. Computer werten die Daten aus und schicken einen Roboter in die Gegend. Tatsächlich arbeiten Forscher der Universität Würzburg an einem derartigen Projekt. Mit Hilfe von Bienen wollen sie Informationen über die Belastung verschiedener Regionen mit Insektenvernichtungs- und Pflanzenschutzmitteln sammeln.

Trägt fleißig ihr Päckchen: Eine Biene mit Mikrochip. (Foto: Foto: Universität Würzburg)

Die Wissenschaftler setzen dabei auf den sprichwörtlichen Bienenfleiß. Ein einziges Bienenvolk kann ein bis zu 400 Quadratkilometer großes Gebiet auskundschaften. Keine Blüte bleibt dabei unbesucht und mit den Pollen nimmt die Biene chemische Rückstände von Insektiziden, Pestiziden oder andere Verunreinigungen auf. Die Pollen liefern eine Art biologischen Fingerabdruck der Umweltbedingungen am Wuchsort der Pflanze, zu der sie gehören.

Die Würzburger Wissenschaftler wollen den Bienen Mikrochips auf den Rücken pflanzen. Am Eingang zum Stock sollen die Tiere einen Engpass passieren, wo ein Teil der mitgebrachten Pollen abgestreift und sofort chemisch analysiert wird. Wenn die Pollen chemisch oder radioaktiv belastet sind, meldet der Computer: "Biene interessant, weiterverfolgen."

Der 0,4 Milligramm leichte Chip signalisiert dem Computer, um welche Biene es sich handelt. Um herauszufinden, wo ein bestimmtes Tier zum Nektarsammeln gewesen ist, müssen die Biologen seine Sprache übersetzen. "Wenn die Biene einen ergiebigen Blütenstandort gefunden hat, wird sie ihren Artgenossinnen im Stock mit einem Schwänzeltanz verraten, wo sie war", sagt der Würzburger Bienenexperte Jürgen Tautz. Inzwischen können die Forscher den Tanz verstehen.

Nach ihren Vorstellungen sollen winzige Infrarotkameras aufnehmen, welche Figuren die Biene in der Dunkelheit des Stocks tanzt. Ein Computer soll die Bilder auswerten und anhand der Dauer des Tanzes und dem Winkel der Biene zu ihren Artgenossinnen die Flugroute errechnen. Mit den Daten wird ein Miniroboter namens Merlin gefüttert. Er macht sich auf den Weg zum Sammelort der Bienen, um dort selbst Proben aus Boden und Luft zu entnehmen.

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Merlin sieht aus wie ein ferngesteuertes Auto und funktioniert auch so ähnlich. Klaus Schilling vom Zentrum für Telematik und Robotik an der Universität Würzburg hat das Gefährt eigentlich für eine Marsmission der Raumfahrtbehörde Esa entwickelt. Als die Amerikaner statt Merlin einen eigenen Roboter mitnahmen, kam das Hightech-Gerät eine Zeit lang bei Großbränden zum Einsatz.

Der Roboter Merlin kommt auch bei Regen voran. (Foto: Foto: Universität Würzburg)

Merlin analysierte unter anderem die entstandenen Gase, die den Feuerwehrleuten gefährlich werden können. Jetzt soll er eine neue Aufgabe übernehmen. "Weil die Ortsangaben aus dem Schwänzeltanz der Bienen nicht ganz präzise sind, sucht der Roboter ein größeres Gebiet ab, nimmt Luft- und Bodenproben und kann per Massenspektrometer auch feststellen, ob auf Blättern von Pflanzen Schadstoffe sind", sagt Schilling.

Das Projekt wird von der Europäischen Union mit einer halben Million Euro gefördert. In etwa vier Jahren ist es nach Einschätzung von Tautz praxistauglich. "Dann könnten etwa Stromkonzerne die Bienen-Roboter-Kombination nutzen, um Radioaktivität in der Nähe ihrer Kraftwerke zu messen; Umweltverbände könnten mithilfe des Systems herausfinden, wo gentechnisch manipulierte Pflanzen wachsen", sagt er.

Nutzen und Einsatz der Bienen seien praktisch unbegrenzt und weltweit anwendbar. Bei den herkömmlichen Methoden müssen meist Menschen per Hand Stichproben nehmen, was in der Regel ein sehr lückenhaftes Bild ergibt. Bienen dagegen deckten Flächen lückenlos und scannermäßig ab, sagt Tautz. "Das neue System ist natürliches Bioscanning und Umweltmonitoring in einem."

Der Wissenschaftler kann sich auch einen Einsatz in Katastrophengebieten vorstellen. Bei einem Chemie oder Reaktorunfall beispielsweise könnte man die Höhe der Belastung messen, ohne dass sich Menschen in Gefahr begeben müssen. Schon heute kommen Bienenvölker in der Umgebung von Flughäfen zum Einsatz. Anhand der Schadstoffbelastung des gesammelten Honigs wird analysiert, wo entlang von Flugrouten Kerosin und Abgase in größeren Mengen niedergehen.

© SZ vom 09.06.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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