Astronomie:Kosmischer Kehrbesen

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Am Sonntag soll eine Raumsonde mit besonderer Fracht auf der Erde landen: Kometenstaub aus dem All, älter als die Sonne. "Wir stehen vor einem neuen Kapitel in der Wissenschaft", sagt der US-Astronom Donald Brownlee.

Alexander Stirn

Die Fracht ist winzig, aber umso wertvoller. Und sie hat einen weiten Weg hinter sich. Nach einer 4,63 Milliarden Kilometer langen Reise soll am Sonntag die Raumsonde Stardust zur Erde zurückkehren. Mit an Bord sind fast eine Million uralte Staubteilchen, die größten nicht dicker als ein menschliches Haar.

DieStardust-Sonde in der Zeichnung eines Nasa-Illustrators. (Foto: Foto: dpa)

Der Dreck aus dem All ist die Ausbeute eines Rendezvous der Sonde mit dem Kometen Wild 2 - und er wird, so die Hoffnung von Astronomen, erstmals den Blick weit zurück zu den Anfängen des Sonnensystems freigeben.

"Fast alle Atome in unserem Körper waren einmal Bestandteil kleiner Staubkörner, wie sie Stardust nun zur Erde bringt", sagt Donald Brownlee, leitender Wissenschaftler der Mission. Sieben Jahre musste der Astronom von der Universität Washington auf die Rückkehr der Sonde warten.

Entsprechend hoch ist die Spannung. Was hat Stardust bei ihrem Flug durch den Schweif des Kometen Wild 2 alles eingesammelt? Und was werden die Teilchen verraten? "Wir stehen vor einem historischen Ereignis", sagt Brownlee, "vor einem neuen Kapitel in der Wissenschaft."

Kometen sind mehr als nur eisige Dreckklumpen, die sich von Zeit zu Zeit der Sonne nähern und mit ihrem Schweif Sterngucker erfreuen. Höchstwahrscheinlich bestehen die Himmelskörper aus Materie, die älter als die Sonne ist - aus interstellarem Staub, der zu einer Zeit, als es das Sonnensystem noch gar nicht gab, in der Umgebung ferner Sterne entstanden ist.

Da sich die Kometen in den eisigen, dunklen Außenbezirken des Sonnensystems gebildet haben, wo sie sich auch die meiste Zeit aufhalten, ist ihre Materie in den letzten 4,6 Milliarden Jahren durch äußere Einflüsse kaum verändert worden. "Kometen enthalten daher die am besten konservierten Proben jener Stoffe, aus denen die Sonne, die Erde und letztlich auch wir selbst aufgebaut sind", sagt Brownlee.

Nach ihrem Start im Februar 1999 umkreiste Stardust zunächst die Sonne, bevor sich die Sonde zu ihrem Rendezvous mit dem Kometen Wild 2 aufmachte. Am 2. Januar 2004 war schließlich der große Tag gekommen.

Stardust näherte sich ihrem Ziel bis auf 240 Kilometer und fuhr einen Detektor von der Größe eines Tennisschlägers aus: Die Staubteilchen, die durch die Sonne fortwährend aus dem Kometen geschleudert werden, bohrten sich in eine Schicht aus so genanntem Aerogel. Das glasartige, extrem leichte und hochgradig poröse Material kann aufprallende Teilchen sanft abbremsen und anschließend in seinem Inneren konservieren.

Doch Stardust sollte nicht nur Kometenstaub einfangen. Die Forscher hoffen, während der langen Reise auch einige Teilchen des interstellaren Staubs aufgelesen zu haben - winzige Partikel, die von explodierenden Sternen ausgespien und durch die Galaxis geschleudert werden.

Die wenige Mikrometer großen Staubkörner sind gerade einmal zehn Millionen Jahre alt und extrem selten. Andrew Westphal, Weltraumforscher an der Universität von Kalifornien in Berkeley, rechnet damit, im Stardust-Detektor lediglich 45 interstellare Staubkörner zu finden - tief im Aerogel.

Um nicht allein nach deren Spuren suchen zu müssen, will Westphal über das Internet Amateur-Staubsucher rekrutieren. Rund 1,5 Millionen Fotos des Gels sollen von Netznutzern in aller Welt ausgewertet werden. Jedes Bild deckt die Fläche eines Salzkorns ab. "Vor 30 Jahren hätten wir eine Armee von Mikroskopikern angeheuert", sagt Westphal. "Heute scannen wir das Aerogel mit einem automatischen Mikroskop und lassen Freiwillige nach den Spuren des Staubs suchen."

Zuvor muss die kostbare Fracht - die Astronomen erhoffen sich ein Milligramm Staub - sicher zur Erde gebracht werden. Noch stimmt der Kurs: Missionsmanager Ed Hirst spricht von "Manövern wie aus dem Lehrbuch". Die letzte Bahnkorrektur soll am heutigen Freitag eingeleitet werden, dann wird Stardust direkten Kurs auf ein Luftwaffen-Testgelände in Utah nehmen. Einen 43 Kilometer breiten und 76 Kilometer langen Korridor mitten in der Wüste haben die Missionsplaner für die Landung vorgesehen. Es ist militärisches Sperrgebiet.

Kurz nach Mitternacht am 15. Januar soll die Stardust-Sonde ihre Landekapsel absprengen und sich selbst in eine Umlaufbahn um die Sonne schießen. Vier Stunden später wird die nun frei fallende Kapsel mit mehr als 46.000 Kilometern pro Stunde auf die Erdatmosphäre treffen.

Nasa-Experten erwarten den schnellsten Wiedereintritt in der Geschichte der Raumfahrt - vergleichbar nur mit einem Meteoriten, der auf die Erde zurast. Der Hitzeschild der Kapsel wird 2700 Grad Celsius erreichen. Sein helles Glühen wird in weiten Teilen der südwestlichen USA zu sehen sein.

In 32 Kilometer Höhe und noch immer schneller als der Schall wird sich ein erster Fallschirm entfalten. Später, drei Kilometer über dem Erdboden, öffnet sich der Hauptfallschirm, die Kapsel sinkt mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde zu Boden.

Direkt nach dem Aufsetzen, das für 3.12 Uhr Ortszeit geplant ist, wird das 43 Kilogramm schwere Gefährt von einem Hubschrauber geborgen, in einem Reinraum gesäubert und nach Houston zur Auswertung gebracht. Zwei Tage nach der Landung soll der Staubkanister geöffnet werden.

Es ist nicht der erste Versuch der Nasa, Partikel aus den Weiten des Alls zur Erde zu bringen: Nach einer dreijährigen Reise durch das Sonnensystem tauchte im September 2004 die Sonde Genesis wieder in die Erdatmosphäre ein - beladen mit Milliarden mikroskopisch kleiner Teilchen der Sonnenatmosphäre. Doch damals öffnete sich der Bremsfallschirm nicht, Genesis bohrte sich mit 310 km/h in den Wüstensand Utahs. Der Sternenstaub war verloren.

Offensichtlich wurden, so das Ergebnis des noch unveröffentlichten Abschlussberichts, vier Beschleunigungssensoren verkehrt herum eingebaut. Die Bauteile hätten eigentlich den Widerstand der Erdatmosphäre registrieren und die Fallschirme automatisch auslösen sollen. Wie die Zeitung Rocky Mountain News berichtet, wurden die Sensoren beim Sonden-Bauer Lockheed Martin in Denver vor dem Flug nicht getestet, der Fehler blieb unbemerkt.

Auch Stardust wurde von Lockheed Martin zusammengeschraubt, und bei dem Kometenjäger kamen die gleichen Schwerkraftsensoren wie bei Genesis zum Einsatz. Joe Vellinga, Programmmanager für beide Missionen, betont jedoch, dass auf Fotos der Stardust-Schaltkreise ein korrekter Einbau zu erkennen sei. Auch bei einem Test kurz vor dem Start hätten die Sensoren korrekt funktioniert - das allerdings war vor mehr als sieben Jahren.

Donald Brownlee ist dennoch mehr als zuversichtlich. "Wir sind nun in einer Position, die man nur beneiden kann", sagt der Astronom, "schließlich haben wir all das gemacht, was bei dieser Mission zu tun war - und bislang hat auch alles extrem gut funktioniert."

© SZ vom 13.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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