Aggression:"Gewalt ist ansteckend wie eine Krankheit"

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Die Saat des Krieges: Kinder im Nahen Osten werden durch Gewalt aggressiver - auch wenn sie gar nicht selbst das Opfer von Aggressionen waren.

Wer Schläge bekommt, wird selbst zum Schläger. Dieser alte Grundsatz der Kindererziehung muss nach einer aktuellen Studie aus dem Nahen Osten erweitert werden: Schon Schläge zu erleben, die anderen gelten, kann Kinder aggressiv machen, wie amerikanische, israelische und ein palästinensischer Forscher mit einer Langzeitstudie nachgewiesen haben. "Gewalt ist ansteckend wie eine Krankheit", sagt Rowell Huesmann von University of Michigan, einer der Autoren. "Sie ist sogar schlimmer als eine Krankheit: Sie ist auch auf große Distanz ansteckend."

Jugendliche schüchtern ein palästinensisches Kind mit Spielzeugwaffen ein. Wer in seinem Alltag Zeuge von Gewalt ist, wird später selbst aggressiver. (Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Forscher haben insgesamt 1500 Kinder aus Israel und den palästinensischen Gebieten drei Jahre lang begleitet und ihre Eltern befragt. Die Kinder waren zu Anfang je zu einem Drittel acht, elf und 14 Jahre alt. Viele hatten den Konflikt in ihrem Land und die Folgen der Intifada direkt erlebt. Zehn Prozent der Palästinenser hatten ein Familienmitglied durch Gewalt verloren, sieben Prozent der jüdischen und drei Prozent der arabischen Israelis.

Besonders für palästinensische Heranwachsende war die Gewalt Teil ihres Alltags. Ungefähr die Hälfte hatte selbst gesehen, wie Angehörige der eigenen Volksgruppe entführt, gefoltert, verletzt oder getötet wurden. Bei den jüdischen Kindern schwankten die entsprechenden Zahlen um ein Sechstel ( Child Development, im Druck).

Die Kleinen wurden durch diese Erlebnisse nachhaltig verändert. Ungefähr ein Viertel der Palästinenser entwickelte die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich gemeinhin in Schlafstörungen, schweren Träumen oder Konzentrationsstörungen äußert. Vom israelischen Nachwuchs, dem jüdischen wie dem arabischen traf dieses Schicksal sechs Prozent. Außerdem wurden die Kinder in Gruppen von Schulkameraden oder Freunden aggressiver.

Am stärksten verzeichneten die Forscher diese Veränderung bei den Jüngsten. "Kinder, die am Anfang unserer Studie acht Jahre alt waren, zeigten sich empfänglicher für Erlebnisse der Gewalt als die Älteren", sagt Huesmann. Selbst wenn ihnen körperlich nichts zustößt, könne die Seele der Heranwachsenden in Konflikten Schaden nehmen.

© SZ vom 21.08.2012/cris - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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