Zwischen den Zahlen:Teure, heiße Luft

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Wie kauft man einen Joghurt? Die Verbraucherforscher widmen sich an den Universitäten auch den letzten Rätseln des Alltags - koste es, was es wolle. Manche Erkenntnisse schreien gerade nach einer neuen Auszeichnung.

Von Franziska Augstein

Was geht vor sich, wenn jemand einkaufen geht? Die Verbraucherforschung hat das - viel Zeit, viel Geld ist erforderlich - untersucht. Folgendes haben Prof. Dr. Jens Hofmann und Matthias Brand M. Sc. vom "Fachgebiet Allgemeine Psychologie: Kognition an der Universität Duisburg-Essen" herausgefunden: "Der Verbraucher kann zum Beispiel hungrig zu Hause vor dem Kühlschrank stehen und feststellen, dass er nichts mehr zu essen hat." Die Folge: Er suche ein Lebensmittelgeschäft auf und kaufe "einen der Joghurts, die er regelmäßig wählt".

Was im Laden vonstattengeht, beschreiben die Kognitionsspezialisten so: "Die Kaufentscheidung durchläuft also nur die Phase Problemerkennung (der Verbraucher hat Hunger), es findet eine kurze internale Suche zwischen den dem Verbraucher bereits bekannten Alternativen statt, sodass auch keine weiteren Produkte bewertet werden, und schlussendlich erfolgt mit geringem kognitiven Aufwand eine Kaufentscheidung." Einmal davon abgesehen, dass ein Joghurt nicht sättigt, schreit dieser Satz - ob mit oder ohne Laktose - nach einer neuen Auszeichnung: Dem "Heiße-Luft-Preis für angewandten Unsinn".

Großunternehmen, die sonst aufs Geld achten, geben kleine Vermögen dafür aus, eruieren zu lassen, was jeder weiß. Der Holtzbrinck-Konzern hat sich vor einigen Jahren von einem Verbraucherforscher erklären lassen, dass Leute Bücher dann kaufen, wenn das Thema sie interessiert und der Preis stimmt. Den Herausgebern des Werks "Abschied vom Otto Normalerverbraucher" (Klartext Verlag, 19,95 Euro) genügen solche Auftragsarbeiten aber nicht. Sie dringen auf "Grundlagenforschung". Denn: "Verbraucherforschung kann nur erfolgreich sein, wenn sie kontinuierlich, das heißt dauerhaft und ohne Abhängigkeit von politischen Konjunkturen, gefördert sowie eine Basis und Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs gelegt wird."

In "Abschied vom Otto-Normalverbraucher" wird auf vielen Seiten dargelegt, dass Menschen bei ihren Kaufentscheidungen oft irrational vorgehen. Darauf müssen die Verbraucherforscher setzen, die ihre Pfründe behalten und gut verdienen wollen. Bei der Landeszentrale für politische Bildung von Nordrhein-Westfalen hatten sie Erfolg: Die hat das Buch subventioniert.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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