Zwischen den Zahlen:Lug und Betrug!

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Peter Hahne schreibt mit vielen Ausrufezeichen über die vermeintliche Abschaffung des Bargelds. Das führt spontan in Versuchung, ihm einen Brief zu schreiben.

Von Lea Hampel

Der Blick in die Sachbuch-Regale kann einschüchtern: US-Politik, Klimawandel, Zerfall Europas. Nachvollziehbar, im Reigen der Krisen und der Zeit der Wütenden, Experten zu Wort kommen zu lassen. Dennoch: All das scheint gelegentlich weit weg, zumindest weiter als der eigene Geldbeutel.

Peter Hahne, der einst Geistlicher werden wollte, dann aber feststellte, dass er sich der Sorgen der Menschen noch besser als Fernsehmoderator und Bestsellerautor widmen kann, ist mit seinem neuen Buch näher dran: Der deutscheste aller Moderatoren schreibt über das deutscheste aller Aufregerthemen. "Finger weg von unserem Bargeld! - Wie wir immer weiter entmündigt werden" heißt das seit Wochen auf den Bestsellerlisten vertretene Werk. Und während man sich noch wundert, wann Hahne angesichts seiner Sendungen, Veranstaltungen, Engagements die Zeit hatte, sich so ins Thema einzulesen, dass er 124 Seiten dazu schreiben konnte, belehrt das Inhaltsverzeichnis eines besseren: Hahne äußert sich zu Nordkorea und Erdoğan, Edeka und Selbstjustiz, "Gendermurks" und Pendeln, Wetterdemokratie und Himbeer-Tee, die Queen und Altersarmut. Eine Liste, die während einer Stammtisch-Rundreise entstanden sein muss. Bargeld spielt erst ab Seite 54 eine Rolle (Kreditkarten sind Schuldenfallen, lernt die Leserin), später geht es noch zwei mal drei Seiten lang um eine Botschaft, die sich zusammenfassen lässt als: Bargeld ist Volkssouveränität, und, so schreibt der Autor, "ein Menschenrecht, das unkontrollierbare Freiheit garantiert."

Rente unterm Kopfkissen ansparen? Ein abstruser Ratschlag

Dass das alles ist, führt spontan in Versuchung, einen Brief an den Autor in dessen eigenem Stil zu schreiben, mit vielen Frage- und Ausrufezeichen, gern direkt hintereinander, dazu Zweiwortsätze und die Forderung nach Hirn. "Was für eine Welt!", möchte man schreiben, wie er, oder "Lug und Betrug!" Denn trotz seines Gespürs für populäre Themen ist Hahne offenbar entgangen, dass vermutlich so mancher Buchkäufer das Bargeld so schätzt, dass er gern mehr als sechs Seiten dazu lesen würde. Da er angeblich an Sensibilität sogar Talkshow-Theologe Jürgen Fliege überbietet, gibt es nur eine andere Erklärung: Er hatte doch nicht so viel Zeit, sich einzulesen. "Finger weg von unserem Bargeld, sonst haben wir bald den total gläsernen Menschen. Wer dafür offen ist, kann doch nicht ganz dicht sein!", hätte vermutlich auch der interessierte Leser formulieren können. Aber ob er wie Hahne auf die abstruse Behauptung verfallen wäre, die Rente der schwäbischen Hausfrau sei sicherer, wenn sie sie unterm Kopfkissen lagern kann? Schwer vorzustellen. Und so wird man den Eindruck nicht los, dass Hahne das Bargeld als Trick nutzt, seine eigenen Einkünfte zu steigern, was wiederum den geschätzten Leser um sein (Bar-)Geld bringt. Stellt sich noch eine Frage: Hat Hahne sein Honorar in Scheinbündeln bekommen - oder doch auf ein schnödes Konto?

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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