Zweifelhaftes Managerverhalten:Millionen, mit denen man sich abfinden muss

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Wie der Manager Jürg Oleas damit umgeht, dass er erst Geld für das Ausscheiden aus seiner Firma bekam, aber dann zum Vorstandschef aufstieg.

Karl-Heinz Büschemann

Sieht so ein Abzocker aus? Gehört auch dieser schmale Mann mit dem pechschwarzen Haar und den leicht indianischen Zügen zur Kaste der gierigen Manager, die Millionen kassieren und sich mit Abfindungen die Taschen vollstopfen?

Jürg Oleas, 47, sitzt an diesem heißen Tag in seinem geräumigen Chefbüro eines deutschen Maschinen- und Anlagenbauers in Bochum - im rosa Hemd und ohne Sakko, Krawatte und Kragen gelockert.

Vom Schreibtisch hat er einen Rundblick auf den firmeneigenen Park mit Fischteich, den sie hier inmitten des Ruhrgebiets-Graus im Firmenjargon nur "das Biotop" nennen.

Seit einem halben Jahr hat Oleas diesen Job, und er hat Pläne für das Unternehmen: "Ich träume von einem großen Maschinenbaukonzern."

Viel negative Presse für den ruhigen Mann

Der elegante Manager spricht ruhig, mit Schweizer Akzent, nicht so formelhaft und forsch, wie es viele Unternehmenschefs tun, um mit Worten ihre Entschlossenheit zu demonstrieren. Er plaudert ungezwungen, als rede er bei einem Kaffee mit einem alten Freund - und so, als habe er nichts zu verbergen.

Dabei ist dieser Mann, der schon deswegen eine Ausnahme in deutschen Chefetagen ist, weil er aus Ecuador stammt und Erfahrungen aus mehreren Kontinenten mitbringt, böse in die Schlagzeilen geraten. In einer Zeitung stand, Oleas sei ein übler Abzocker, der es geschafft habe, den Vorstand des Unternehmens zu verlassen und dafür eine "fragwürdige" Abfindung zu kassieren.

Denn Jürg Oleas war gar nicht von dem Unternehmen weg gegangen, er ließ sich gleich wieder einstellen - und zwar als Chef. Das war neu in der deutschen Wirtschaft. Der Mann aus Lateinamerika, der erst als Student in die Schweiz kam, ins Heimatland seiner Mutter, schien für einen neuen Fall von hemmungloser Manager-Selbstbedienung zu stehen.

Ein Biotop für Missmanagement

Der Verdacht liegt deshalb besonders nahe, weil Oleas für einen Konzern arbeitet, der früher Metallgesellschaft hieß, sich heute Gea nennt und 15 Jahre lang erfolgreich daran gearbeitet hat, seinen guten Ruf zu verspielen.

Die "MG", die einst ein hochgeachtetes Unternehmen war, entwickelte sich in den neunziger Jahren zu einem Biotop für Missmanagement und hemmungslose Bereicherung - alles unter den Augen der Deutschen Bank, die über Jahrzehnte Großaktionär war und bis vor zwei Jahren den Stuhl des Aufsichtsratschefs besetzte.

Aus keinem deutschen Vorstand sind in kurzer Zeit so viele Manager mit hohen Zahlungen ausgeschieden. Erst im vergangenen Jahr schaffte es der Konzern, dass die Abfindungen für scheidende Vorstände größer waren als der Unternehmensgewinn: zwölf Millionen Euro.

Namensänderung und Firmensitzwechsel

Es passt ins Bild, dass sich dieser Konzern seit 2000 zwei Mal einen neuen Namen gegeben und vor ein paar Monaten auch den Sitz von Frankfurt nach Bochum verlegt hat. Das Geschäft des Anlagen- und Maschinenbauers ist in den letzten zehn Jahren kleiner geworden, die Versprechungen seiner Manager wurden aber immer größer.

Der Abstieg begann 1993. Die Metallgesellschaft hatte sich unter ihrem Vorstandschef Heinz Schimmelbusch mit waghalsigen Ölgeschäften verspekuliert. Doch anstatt auf bessere Ölpreise zu warten und knifflige Kontrakte behutsam abzuwickeln, löste der damalige Aufsichtsratschef Ronaldo Schmitz von der Deutschen Bank die heißen Verträge einfach auf. Übereilt, wie sich erwies. Der Banker sorgte dafür, dass das Unternehmen einen Verlust von 1,8 Milliarden Mark erlitt und praktisch pleite war.

Danach ging es erst recht bergab. Die Deutsche Bank holte den Sanierer Kajo Neukirchen auf den Chefposten. Der hatte das Vertrauen der Banker, obwohl er in früheren Jobs durch beißende Arroganz, große Worte und spektakuläre Abschiede aufgefallen war. Neukirchen schlug zu und verkaufte von der maroden Firma, was sich zu Geld machen ließ.

Die Chefs kamen und gingen

"Eine Strategie gab es nicht", sagt ein Kenner heute. So schrumpfte die MG weiter. Von den 63.000 Beschäftigten im Jahr 1991 sind heute nur 17.000 übrig. Der Umsatz, Anfang der neunziger Jahre noch 13 Milliarden Euro, ist auf vier Milliarden Euro zusammengefallen.

2003 hatte Neukirchen die Nase voll. Er hatte sich mit dem neuen Großaktionär Otto Happel, dem inzwischen 20 Prozent des Unternehmens gehören, überworfen und schied aus, obwohl sein Vertrag kurz zuvor verlängert worden war. Neukirchen erhielt 13 Millionen Euro mit auf den Weg.

Ein neuer Mann übernahm den Chefposten: Udo Stark, ein Manager, der schon beim frühzeitigen Abschied vom vorigen Arbeitgeber Agiv mindestens 6,4 Millionen Euro mitgenommen hatte. Doch Stark ging Ende Oktober 2004 - nach 17 Monaten. Er bekam 5,4 Millionen Euro nachgeschickt. Sein Chefvertrag lief noch dreieinhalb Jahre.

Wer sollte sonst das Unternehmen führen?

Die MG, die sich inzwischen neumodisch mg technologies nannte, war in Not. Wer sollte Chef werden? Jürgen Heraeus, ein angesehener Unternehmer, der den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden inne hatte, wusste sich nicht anders zu helfen. Er bekniete Jürg Oleas, den vakanten Posten zu übernehmen - ein absurd anmutender Schritt.

Denn Oleas, der seit 2001 im Vorstand war, hatte ebenfalls die Nase voll von der MG - und längst gekündigt. Er wollte in ein paar Wochen ausscheiden. Die Abfindung war schon mit dem Aufsichtsrat ausgehandelt - nebst Pensionsanspruch ein Betrag von geschätzt drei Millionen Euro.

Oleas behauptet, er habe sich damals geziert, habe den Posten nicht gewollt. In drei Jahren bei der MG habe er sechs oder sieben Vorstände gehen sehen: "Das ist ein riskanter Job." Außerdem hatte er eigentlich schon einen neuen Posten. Bei mg technologies, berichtet ein Aufsichtsrat, hätten ihm dann "alle die Bude eingerannt", ihn bekniet zu bleiben. So blieb der gerade noch Scheidende.

Aber rechtlich einwandfrei

Aber bei dieser Sache sei ihm eines wichtig gewesen: "Das musste juristisch einwandfrei sein." So wurde es gemacht - rechtlich sauber: Oleas darf seine Abfindung behalten und bekommt einen Chefvertrag für drei Jahre. "Die wollten, dass ich bleibe, ich habe um nichts gebeten." Ein Gefühl, dass er etwas Unrechtes getan habe, hat er deshalb nicht:"Warum soll ich in der Opferrolle sein?", fragt er, "das hat doch einer bewilligt."

Oleas hält sich für einen guten Manager, das lässt er auch ohne große Worte wissen. Er sei in der ganzen Welt herumgekommen, habe in Indien gearbeitet, in Hongkong, Korea, England, den USA - und in Deutschland. Sein Blick gleitet über den Park draußen, er macht den Eindruck, als wolle er noch eine ganze Weile hier in Bochum bleiben, selbst wenn er weniger verdient als seine Vorgänger Neukirchen und Stark.

Die Frage, ob er zu den gierigen Managern gehöre, lässt ihn gelassen. "Die Schlüsse darüber überlasse ich anderen", sagt er: "Ich kann jeden Tag in den Spiegel schauen."

© SZ vom 10.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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