Zukunftsvisionen in Aachen:High-Tech Autos von der Forschungsmeile

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Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen plant die bislang größte Forschungsgemeinschaft mit Industrieunternehmen in Deutschland.

Lutz Bernhardt

Auf dem Campus der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) sollen sich Institute in den nächsten Jahrezehnten mit Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Clustern niederlassen.

RWTH Aachen: Das Eon-Gebäude, entworfen von der Stararchitektin Zaha Hadid. (Foto: Foto: RWTH Aachen)

Auf der Wunschliste der Hochschule findet sich auch die großen Namen der deutschen Automobilwirtschaft wieder.

Die Uni rechnet mit Investitionen bis zu einer Milliarde Euro in den neuen Wissenschaftsstadtteil mit geplanten 10.000 Arbeitsplätzen. Baubeginn soll schon Mitte nächsten Jahres sein.

Unternehmen haben die Wahl, ob sie selber bauen oder sich einmieten. Fest steht, dass sie viele Investitionen selbst zahlen müssen. Denn die öffentliche Hand wird nur den kleineren Part beisteuern, sagt RWTH-Rektor Burkhard Rauhut: "Die Firmen sollen den weit überwiegenden Teil der Investitionen tragen. Er wird sicher zwischen 60 und 85 Prozent schwanken."

Patente für die Unternehmen

Geplant sind interdisziplinäre Forschungszentren, sogenannte Cluster, an denen sich die Unternehmen finanziell und personell beteiligen.

Wer ein besonderes Sahnestückchen auf dem Gelände beziehen will, wer möglichst breit auf die Themen des jeweiligen Clusters Einfluss nehmen will, muss mindestens 10 Millionen Euro jährlich einspeisen und rund 120 eigene Mitarbeiter auf dem Campus ansiedeln.

Im Gegenzug dürfen die Unternehmen auf Erfindungen zugreifen und sich Patente sichern. "Die Forschungsergebnisse führen wir direkt der Nutzung des Unternehmens zu. Wir werden sozusagen zur verlängerten Forschungsbank", sagt der Rektoratsbeauftragte für den Campus, Günther Schuh.

Die Hochschule selbst könnte mit Patenten ohnehin kein Geld verdienen. "Die Umwandlungsquote ist derart gering, weil Universitäten überhaupt keine Ressourcen für den Patenthandel und die Vermarktung besitzen", sagt Schuh.

Das Auto der Zukunft

Allein acht der 15 geplanten Cluster werden am Auto der Zukunft schrauben. Darunter das bereits im vergangenen Jahr bewilligte Exzellenz-Cluster "Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer".

Die Namen potentieller Partner werden selbst geheim gehalten; zum einen, um keinen Konkurrenten zu vergraulen, zum anderen aus juristischen Gründen. Denn gerade in der Kategorie der Dax-Unternehmen müssen zahlreiche Gremien passiert werden, bevor so ein großformatiges Engagement bekannt werden darf.

Zurückhaltend fallen demnach auch die Reaktionen der Hersteller und Zulieferer aus. Volkswagen, Daimler und BMW haben mit den Automotive-Experten der RWTH zwar schon in der Vergangenheit Allianzen geschmiedet und tragen so zu dem beachtlichen Drittmittelvolumen der Fakultät für Maschinenwesen in Höhe von knapp 60 Millionen Euro bei, bleiben aber in Bezug auf ein weiteres Engagement ihrer Unternehmen sehr vage.

VW will sich mit Rücksicht auf laufende Forschungsprojekte an anderen Universitäten und Fachhochschulen nicht öffentlich äußern. BMW habe derzeit keine konkreten Pläne auf dem Campus, heißt es. Nur von Daimler ist zu erfahren, dass die Idee der Aachener "sehr gut" sei - aber zu etwaigen Verhandlungen wird auch hier geschwiegen. In RWTH-Kreisen heißt es hingegen, dass Gespräche mit allen deutschen Autoherstellern geführt würden.

Fest steht: Die marktrelevanten Erfindungen der großen Konzerne sind schon lange nicht mehr nur hausgemacht. Dafür sind die Produkt- und Produktionseigenschaften viel zu komplex.

Das sehen auch die Entwickler von Thyssen Krupp Steel so. Der Konzern ist der erste Interessent, der sich öffentlich äußert. "Wir prüfen jede neue Form der Zusammenarbeit", sagt Henrik Adam von der Auto Division bei Thyssen Krupp.

Eigene GmbH

Adam, der selbst in Aachen promoviert hat, findet eine Bindung im Rahmen eines solchen Vorhabens interessanter als die reine Auftragsforschung: "Wenn man Innovationen einkaufen will, ist eine langfristige Partnerschaft deutlich sinnvoller als ein einzelnes Projekt. Denn mich interessiert nicht nur die Entwicklung eines Produktes, sondern auch, was mich die Fertigung kostet und ob ich es überhaupt fertigen kann." Diesen Fragen könne in gemeinschaftlichen Forschungsprojekten zum Beispiel mit dem Lehrstuhl für Produktionssystematik dauerhaft nachgegangen werden.

Ein konkretes Entwicklungsvorhaben mit deutscher Beteiligung ist derweil schon durchgesickert: Auf der Aachener Forschungsmeile soll eine modulare Grundtechnologie für ein Elektrofahrzeug zur Marktreife gebracht werden, das später für weniger als 5.000 Euro produziert werden kann. Zunächst werden die Elekro-Autos als Shuttles zwischen den Instituten, dem geplanten Tagungszentrum und dem Campus-Kindergarten eingesetzt, später dann - wenn sich ein kaufkräftiger Interessent des Konzepts findet - im normalen Verkehr.

Bislang sollen 44 Unternehmen konkretes Interesse an dem neuen Campus signalisiert haben, etwa 80 sollen sich am Ende in Aachen ansiedeln. Die Hochschulautonomie sieht das Rektorat durch die Industriebeteiligungen nicht in Gefahr, weil für den Campus eine eigene GmbH gegründet wird. So seien öffentlich-rechtliche und privat-wirtschaftliche Interessen sauber getrennt.

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