Zukunft des Fahrens:Pioniere auf vier Rädern

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Vollautonome E-Autos - irgendwann wird es sie geben, doch das kann noch dauern. Zurzeit prägen Vordenker die Technik, einige Zulieferer arbeiten an den nötigen Zwischenschritten.

Von Helmut Martin-Jung

Man darf ja mal träumen. Träumen von völlig autark fahrenden Autos, die die Umwelt nicht verpesten. Von Mobilität, die man bequem konsumiert, wenn man sie braucht. Und das ganz ohne sich einen teuren und die meiste Zeit ungenutzten Blechhaufen anschaffen zu müssen. Ziemlich wahrscheinlich, dass diese Träume einmal Wirklichkeit werden - nur wird es bis dahin noch eine Weile dauern. Autos werden aber nicht von einem Tag auf den anderen ohne den Menschen als Denker und Lenker auskommen. Sie werden nur nach und nach der Sache näher kommen. Doch was passiert in der Zwischenzeit? Ein Blick darauf, was die Industrie für die nächsten Jahre vorhat.

Sprachbefehle werden vom Bordcomputer ausgewertet, nicht in der Cloud

"Was ist das denn für ein Gebäude?" - die Fahrerin blickt auf einen markanten Bau in einer fremden Stadt. Derzeit kann sie nur hoffen, dass jemand anderes im Auto das weiß. Doch Firmen wie der US-Anbieter Nuance arbeiten schon an Systemen, die diese Frage beantworten können. Die Fahrerin muss dabei nicht einmal ein besonderes Kommando sprechen. Sie braucht die Frage einfach zu stellen.

Das System erkennt am Tonfall und am Inhalt, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Unterhaltung handelt, sondern dass es angesprochen worden ist. In Sekundenbruchteilen analysiert es, wohin die Frau geguckt hat, als sie die Frage aussprach und gibt die passenden Informationen dazu per Sprachsynthese aus. Die Entscheidung, ob ein Befehl ausgesprochen wurde oder nicht, wird Nuance zufolge im Bordcomputer des Autos getroffen, also nicht erst über eine Datenverbindung in ein Rechenzentrum geschickt, sagt Nils Lenke von Nuance. Das System kann so eingestellt werden, dass es nur die Stimme der Fahrerin erfasst, nicht aber die der Mitfahrer. Dabei wird das Mikrofon mit dem sogenannten Beam Forming auf eine Schallquelle ausgerichtet. Kameras haben die Fahrerin im Blick und wissen somit stets, wohin diese blickt.

Durch elektrisch betriebene Autos kommen auf die Hersteller einige Herausforderungen zu. Ein wichtiger Faktor ist die Reichweite. Daher muss bei den Autos möglichst viel Gewicht gespart werden. Das aber verschlechtert für gewöhnlich den Klang im Auto, sagt Michael Mauser von Harman, einem wichtigen Autozulieferer und Soundspezialisten. Unter anderem auch deswegen, weil es weniger Dämmung gegen Außengeräusche gibt. Deshalb hat Harman ein System entwickelt, das ähnlich wie manche Kopfhörer den Lärm reduzieren kann - nur, dass die Sache nun im Auto funktioniert. Mikrofone nehmen also Motoren-, Wind- und Reifengeräusch auf, analysieren es ohne merkliche Verzögerung, und die im Auto verbauten Lautsprecher geben das umgekehrte Signal aus. Das reduziert den Schall merklich.

Auch umgekehrt klappt es: Wenn die Autohersteller aus Gründen der Energieersparnis bei Benzinern einzelne Zylinder zeitweise abschalten, kann das Soundsystem dafür sorgen, dass der gewohnte Motorensound erhalten bleibt. Bei Elektroautos wird es sogar bald Vorschrift, dass sie bis zu einer gewissen Geschwindigkeit einen Klang von sich geben müssen, damit man sie besser wahrnimmt. Diesen Sound strahlen sie allerdings nach außen ab.

Elektronik könnte in Autos teure Hardware ersetzen

So wie Mikros auf Wunsch nur einen Bereich im Auto erfassen, kann auch Musik auf einen Teilbereich des Autos konzentriert werden - individuelle Sound-Zonen, nennt man das bei Harman. Den Markt für dieses und andere Merkmale hochwertiger Klanganlagen schätzt Mauser als riesig ein, "87 Prozent aller Autos haben kein Premium Audio", sagt er.

Wenn man weiß, dass die Menschen angeben, am meisten im Auto Musik zu hören, ist sein Ziel, das deutlich zu steigern, gar nicht so abwegig. Dazu müsse auch der Einstiegspreis sinken, sagt er. Statt teure Hardware zu verbauen, könne vieles über Software und Elektronik erreicht werden. Die teuren Lautsprecher in den Türen etwa könne man weglassen und dafür den räumlichen Klangeindruck elektronisch erzeugen.

Software spielt auch beim niederländischen Navigationsspezialisten Tomtom eine immer wichtigere Rolle. Die meisten kennen das Unternehmen als Hersteller von Navigationssystemen für die Windschutzscheibe, doch dieses Geschäft geht Jahr für Jahr zurück. "Wir sind eine Software-Firma", sagt Matthieu Campion von Tomtom, "90 Prozent unserer Mitarbeiter beschäftigen sich mit Software." Die Software für Autohersteller ist mittlerweile sogar der größte Posten beim Umsatz. Tomtom bietet ein ganzes Paket an verschiedenen Dienstleistungen an, die Hersteller entscheiden, was sie davon nehmen wollen und was nicht.

Das gilt zum Beispiel auch für die Updates der Kartendaten: "Wir können wöchentlich Updates liefern", sagt Campion. Manche Autohersteller wollten allerdings selbst noch eine Qualitätskontrolle vornehmen, bevor die Daten ausgespielt werden. Auch dabei kann sich Campion so manches vorstellen. Über Wlan-Zugänge etwa oder über den kommenden Mobilfunkstandard 5G. Seine Firma arbeite auch an smarten Updates, "es muss ja nicht alles auf einmal erneuert werden", sagt er.

Je autonomer die Autos fahren sollen, desto genauer müssen auch die Karten sein, die eine wichtige Grundlage dafür bilden. Wie viele Spuren hat eine Straße, wie eng ist die nächste Kurve - all das muss in den Kartendaten stecken. Diese Daten kombiniert das Auto mit den Daten, die seine Sensoren erfassen. Autonomes Fahren, glaubt Campion, wird nicht mit einem Schlag kommen, "das wird ein Prozess", sagt er. In zehn bis 15 Jahren, so seine Einschätzung, werde es in Städten möglich sein. Auf Landstraßen, wo auch schneller gefahren wird, werde es dagegen noch länger dauern. "Die Bausteine sind da", sagt er, "aber was fehlt, ist die Massenanwendung." Zurzeit prägten noch die Pioniere die Technik, sagt er und zieht eine Analogie zur Fliegerei: "Wir sind in der Phase der ersten Probeflüge der Gebrüder Wright."

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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