Zughersteller:Angst nach der Ankündigung

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Bei Alstom und Bombardier fürchten viele Mitarbeiter wegen der geplanten Fusion um ihre Arbeitsplätze. Angeblich sind die nicht in Gefahr.

Von Michael Kläsgen, München

Die Beschäftigten von Alstom und Bombardier in Deutschland sorgen sich nach der angekündigten Fusion der beiden Bahnhersteller aus Frankreich und Kanada um ihre Arbeitsplätze. Die IG Metall forderte am Dienstag, alle Arbeitsplätze in Hennigsdorf bei Berlin und den anderen Standorten zu erhalten. In Deutschland beschäftigen Alstom und Bombardier mehr als 9000 Mitarbeiter. Bei Bombardier sind es inklusive Leiharbeiter 7700, vor allem im Osten, etwa in Bautzen, Görlitz und Hennigsdorf; bei Alstom 2500, die meisten davon in Salzgitter. Auch an allen Standorten machte sich Verunsicherung breit.

Züge in einem Depot der französischen Bahn in Charenton-le-Pont in der Nähe von Paris während eines Streiks. (Foto: Charles Platiau/Reuters)

Der Bezirksleiter der Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger, verlangte von der Politik, das Vorhaben beider Unternehmen genau im Auge zu behalten. "Es wäre absurd, wenn die Beschäftigten der Bahnindustrie ausgerechnet jetzt, wo alle Welt über einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs redet, wegen der Gewinnfantasien von Konzernmanagern Angst um ihre Arbeitsplätze haben müssten", sagte er.

Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge betonte derweil in Interviews, ohne Stellenstreichungen auskommen zu wollen. Jeder Standort sei zwar nach wie vor von der Auftragslage abhängig. Die Fusion basiere aber nicht auf der Logik von Einsparungen, Umstrukturierung oder Arbeitsplatzabbau. Sie ziele darauf ab, eine kritische Masse und "eine konkurrenzlose Innovationsfähigkeit" zu erlangen, sagte er in einem Interview. Alstom und Bombardier befänden sich nicht an den gleichen Orten und auch nicht in den gleichen Segmenten. Bombardier habe das größte Werk von British Rail in Derby gekauft und könne Doppelstockzüge oder Züge bauen, die den skandinavischen Winter bewältigen. Alstom biete das nicht an. Und in den USA, die eher ein Bombardier-Gebiet sind, seien die technischen Standards völlig unterschiedlich.

Die am Montagabend angekündigte Fusion, sagte der Franzose, sei nicht mit dem vor einem Jahr gescheiterten Zusammengehen von Alstom und der Siemens-Zugsparte vergleichbar. Es sei keine Fusion unter vermeintlich Gleichen. Stattdessen wolle Alstom Bombardier für etwa sechs Milliarden Euro übernehmen, auch um dem chinesischen Rivalen CRRC Paroli zu bieten.

Kartellrechtliche Sorgen plagen Poupart-Lafarge kaum. Bei der Signaltechnik und Hochgeschwindigkeitszügen sei Bombardier viel schwächer als Alstom, weshalb keine wettbewerbsrechtlichen Fragen aufkämen. Die Analysten der Deutschen Bank sehen hingegen nur eine 50-Prozent-Chance, dass die EU-Wettbewerbshüter den Zusammenschluss genehmigen. Es entstünde der zweitgrößte Zughersteller der Welt mit mehr als 15 Milliarden Euro Umsatz. Poupart-Lafarge erwartet, dass es bis 2021 hinein dauern wird, bis alle Genehmigungen für die Fusion vorliegen.

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wurde allerdings schon am Dienstag in Brüssel vorstellig. Die EU-Kommission hatte die Fusion zwischen Alstom und Siemens vereitelt. Le Maire sagte nun nach einem Gespräch mit der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die Position der Kommission und der meisten EU-Staaten hätten sich weiterentwickelt. Er habe in dem Gespräch deutlich gemacht, wie wichtig europäische "Champions" seien, die auch gegen chinesische und amerikanische Konkurrenz bestehen könnten. Das sei eine Frage der wirtschaftlichen Souveränität Europas. "In der Bahnindustrie stehen wir sehr mächtigen Konkurrenten gegenüber. Wir müssen unsere Kräfte bündeln." Poupart-Lafarge sprach sogar von "Mitteln und Waffen", über die CRRC verfüge. Dagegen gelte es anzugehen.

© SZ vom 19.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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