Zu reich geworden:Kein Discount für den Kreml

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Hans Eichel verweigert Moskau einen Rabatt - nun droht die vorzeitige Rückzahlung russischer Schulden zu scheitern.

Von Ulrich Schäfer und Daniel Brössler

Es sollte ein Weihnachtsgeschenk werden, hatte der russische Präsident Wladimir Putin versprochen. Doch das Geschenk lässt auf sich warten - und womöglich wird es niemals ankommen. Russland wolle seine Auslandsschulden in den nächsten drei Jahren vorzeitig zurückzahlen, hatte Putin bei seinem Besuch in Hamburg im Dezember angekündigt. Einen kleinen "Discount" wünsche man sich, einen Rabatt also, weil man schneller zahle, aber ansonsten könne man die Details schnell klären, versicherten Putin und seine Getreuen.

Der klitzekleine Discount erweist sich mittlerweile jedoch als ein gewaltiges Problem. Die Verhandlungen zwischen Deutschland, dem wichtigsten Geldgeber der ehemaligen Sowjetunion, und den Unterhändlern des Kreml ziehen sich deswegen in die Länge.

Steigende Preise

Und mittlerweile halten es beide Seiten für möglich, dass der Milliarden-Deal noch an den finanziellen Details scheitern könnte. Für den russischen Präsidenten und den deutschen Kanzler wäre dies mehr als ärgerlich.

Denn Putin und Schröder hatten die vorzeitige Rückzahlung der Schulden, die noch aus den Zeiten des Kalten Krieges stammen, auch als Symbol der deutsch-russischen Freundschaft verstanden, die ja nicht zuletzt auch auf ihrer beider Freundschaft beruht.

Doch im diskreten Schuldenpoker zwischen Berlin und Moskau geht es nicht nur um die große Politik, sondern auch ums große Geld. So beharren die Abgesandten des russischen Finanzministers Alexej Kudrin darauf, dass Deutschland und die anderen Mitgliedsnationen des Pariser Gläubigerklubs auf bis zu zehn Prozent der fälligen Zins- und Tilgungszahlungen verzichten sollen; anfangs hatten sie sogar einen Discount von 15 Prozent verlangt.

Finanzminister Hans Eichel will davon jedoch nichts wissen. Der klamme Kassenwart verlangt seit Monaten, Moskau müsse zumindest den Preis bezahlen, den auch die internationalen Finanzmärkte für russische Schuldenpapiere bieten - und dieser Marktpreis steigt, sehr zum Leidwesen des Kreml, von Woche zu Woche.

Eichels Unterhändler lehnen deshalb nicht nur den von Putin erwünschten Rabatt ab, sondern verlangen im Gegenteil sogar einen Zuschlag. Moskau soll demnach nicht nur 100 Prozent der fälligen Summe zurückzahlen, sondern bis zu 105 Prozent, also ein paar Prozent mehr.

Die seltsame Wende im Schuldenhandel ist letztlich in Russlands ökonomischem Erfolg begründet. Denn an den Börsen gilt das Land, das noch Ende der neunziger Jahre vor der Pleite stand, inzwischen als verlässlicher Schuldner.

Die Staatskasse quillt dank üppiger Einnahmen aus dem Gas- und Ölgeschäft über. Gerade erst hat die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit der Russischen Föderation heraufgesetzt, die Konkurrenz von Moody's und Fitch hatte ihre Noten zuvor ebenfalls angehoben. Entsprechend begehrt sind russische Anleihen bei Anlegern.

Eichel will einen Bonus

Mittlerweile notieren viele Papiere sogar über dem Ausgabekurs. "Dies kann unsere Position in den Verhandlungen mit dem Pariser Klub beeinträchtigen", räumte Finanzminister Kudrin am Rande des G8-Finanzministergipfels in London ein.

Sein deutscher Kollege Eichel weiß dies nur zu genau. Schließlich hat er im Sommer vergangenen Jahres, als das Moskauer Rückzahlungsangebot noch gar nicht vorlag, bereits einen Teil seiner Forderungen gegenüber Russland an der Börse verkauft.

Die komplizierte Transaktion, die einige Investmentbanken und die staatliche KfW Bankengruppe unter dem Titel Aries erledigten, brachte dem deutschen Finanzminister rund fünf Milliarden Euro ein, er hätte damals aber noch weitaus mehr Geld verdienen können.

Mittlerweile nämlich sind die Kurse jener Anleihen, die Eichel damals im Tausch gegen seine russischen Kreditpakete feilgeboten hatte, rasant gestiegen; sie bewegen sich zum Teil fast 14 Prozent über dem ursprünglichen Preis.

Auch deshalb beharrt Eichel nun auf einem Bonus. Sollten die Russen sich darauf nicht einlassen, könnte er dies verschmerzen. Er würde sich die Milliarden, die er für seinen Haushalt benötigt, auch auf andere Weise beschaffen. "Wir können die Aries-Transaktion jederzeit wiederholen", heißt es in seinem Ministerium.

Der erneute Gang an die Börse würde sich aber nicht nur für den deutschen Finanzminister lohnen. Schließlich muss die Russische Föderation noch 20 Milliarden Euro an ihn zurückzahlen. Die Investmentbanken buhlen bereits um den möglichen Großauftrag. Schließlich wissen auch sie, dass Russland derzeit ein guter Schuldner ist.

© SZ vom 22.02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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