Zoff der Konjunkturforscher:Minus mal minus mal minus

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Streit unter Forschern: Konjunkturprognosen seien schädlich, lästerte DIW-Präsident Zimmermann. Nun bekommt er Gegenwind - durch eine süffisante Wortmeldung des Münchner Ifo-Instituts.

Tobias Dorfer

Der Wettlauf begann in Essen. Am Mittwoch, den 10. Dezember, ließ das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) die Bombe platzen. Für das nächste Jahr erwarte man ein Negativwachstum von zwei Prozent, gaben die Ökonomen bekannt. Doch damit nicht genug: Einen Tag später setzte sich das Ifo-Institut an die Spitze der Pessimisten. Die deutsche Wirtschaft werde um 2,2 Prozent schrumpfen, meldeten die Münchner.

Ärger um die Prognosen: Das Ifo-Institut reagiert auf den DIW-Vorstoß mit einer süffisanten Pressemeldung. (Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Eine ganze Branche überbietet sich im Schwarzsehen: Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut warf ein Minus von 1,2 Prozent in die Runde, das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft wollte sich mit einer Spanne zwischen minus 1,5 und minus zwei Prozent nicht genau festlegen - und dann erklärte Norbert Walter, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in einem Interview mit sueddeutsche.de, die deutsche Wirtschaft würde sogar um bis zu vier Prozent schrumpfen.

Zweifel an Seriosität

Nur das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beteiligte sich nicht an dem Wettlauf. Stattdessen bezweifelte DIW-Präsident Klaus Zimmermann öffentlich die Seriosität der Konjunkturschätzungen. In einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung klagte der Ökonom über den "zu beobachtenden Abwärtswettlauf der Prognosen" und sah "die große Gefahr", Pessimisten könnten "die Schwere und Länge der Wirtschaftskrise" verschärfen. Zimmermanns Schlussfolgerung: "In dieser Situation muss man sich fragen dürfen, ob es nicht besser wäre, auf die Veröffentlichung von neuen Prognosen zu verzichten."

Starker Tobak - der zumindest einigen Vertretern der Zunft nicht gefallen haben dürfte. Vor allem nicht Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Einen Tag, nachdem Zimmermann seinen Vorwurf ausgesprochen hatte, ließ Sinn den Vorstoß des Kollegen Zimmermann auf eine süffisante Art und Weise von seinem Konjunkturexperten Wolfgang Nierhaus kommentieren. Der Streit der Forscher eskaliert.

Süffisante Sticheleien

In seiner aktuellen Pressemeldung lobt sich das Ifo-Institut als weiser Konjunktur-Prophet. Bereits im März 2008 habe man "das Ende des Booms verkündet" und den "jetzigen Abschwung treffsicher vorausgesagt". Gleichzeitig werden Presse und Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass "vom DIW zuletzt (am 12. Dezember 2008) noch bestritten wurde, dass es überhaupt zu einer Schrumpfung kommt".

Zwar gibt auch Ifo-Experte Nierhaus zu, dass in der Tat für die Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise "derzeit keine umfassenden makroökonomischen Konjunkturmodelle" existieren. Das Ifo-Institut würde sich jedoch zusätzlich auf rund 7000 Meldungen von Unternehmen verlassen, "die seit 50 Jahren akkurate Ergebnisse gebracht haben und häufig für die Prognose und Revision der ersten Meldungen des Statistischen Bundesamtes verwendet werden konnten." Das Credo: Gerade in Krisenzeiten seien Prognosen nützlich, um "die jeweils vorhandenen Informationen zu wenigen griffigen Zahlen zu verdichten, die der Politik die Möglichkeit geben, Gegenmaßnahmen zu ergreifen".

Nebenbei warten die Münchner im ersten Satz ihres Schreibens noch mit einem süffisanten Hinweis auf: Immerhin sei das DIW "nicht mehr an der Gemeinschaftsdiagnose und der damit verbundenen Konjunkturprognose beteiligt". Hintergrund: Das Berliner Institut wurde im Juli 2007 aus dem erlauchten Kreis der staatlichen Konjunkturforscher geworfen. Zumindest bis zum Herbst 2010 werden Zimmermanns Forscher nicht mehr am Gemeinschaftsgutachten für die Bundesregierung mitarbeiten.

"Linke, keynesianische Kreise"

Damals reagierte der heutige Prognosenkritiker verschnupft auf die Niederlage seiner Einrichtung. "Linke, keynesianische Kreise" hätten mit falschen Behauptungen zu dem Ergebnis der Ausschreibung beigetragen, sagte Zimmermann.

Pikant allerdings, dass deshalb das Düsseldorfer Institut für Makroökonomie in den Kreis der staatlichen Wirtschaftsschätzer aufrückte. An der Spitze der gewerkschaftsnahen Einrichtung steht Gustav A. Horn, der von Zimmermann im Jahr 2004 als Leiter der DIW-Konjunkturabteilung abgesägt wurde.

Ist der Streit der Ökonomen also nur ein persönlicher Konflikt zwischen einem beleidigten DIW-Chef und dem Rest der Konjunkturforscher? Oder geht es tatsächlich um den Sinn von Wirtschaftsprognosen? DIW-Chef Zimmermann lässt sich von den Sticheleien aus München jedenfalls nicht beeindrucken. Er bleibt bei seiner Kritik am Wettlauf um die schlechtesten Zahlen: "Es ist auch für Ökonomen nicht schädlich, Überlegungen hinsichtlich der Folgen ihres Tuns anzustellen." Das Ifo-Institut will sich dagegen zum Prognosen-Zoff nicht weiter äußern. Auf Anfrage von sueddeutsche.de gaben die Münchner zu Protokoll: "Mit der Pressemeldung ist alles gesagt."

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