Zinszusatzreserve:Die Lösung wird zum Problem

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Für Kunden mit hohen Zinsgarantien gibt es seit 2011 eine besondere Rückstellung. Die sieht die Branche nun aber als Last.

Von Herbert Fromme

2011 hatten die Lebensversicherer einen Albtraum. Die Zinsen waren seit 2008 auf Tauchfahrt - nicht nur wenige Monate, sondern Jahre. Dabei hatten die Versicherer Millionen Kunden in den Neunzigerjahren hohe Zinsgarantien versprochen, bis zum Auslaufen der Verträge. Sie waren ein wichtiges Marketinginstrument im Kampf um die Spargelder. Denn nur die Lebensversicherer durften die Garantien geben, Fonds und Banken nicht. Folge: Die Versicherer müssen immer noch Hunderte von Milliarden Euro jedes Jahr mit vier Prozent Zins bedienen, wo sie selbst für Staatsanleihen weniger als ein Prozent bekommen.

Die Branche verspricht Sicherheit - und die Kunden stehen dafür gerade

Schon 2011 erahnten die Versicherungschefs das Problem: Möglicherweise müssten sie - welch schreckliche Vorstellung - mit Geldern der Eigner die von eben diesen Eignern vollmundig gegebenen Zinsversprechen einlösen. Es bestand Handlungsbedarf. Die Versicherungsmathematiker kamen mit der Lösung: Sie entwarfen die Zinszusatzreserve (ZZR). Die Koalition war hilfreich, die ZZR wurde eingeführt. Das Prinzip: Aus den Überschüssen, die Versicherer mit dem Geld der Kunden erwirtschaften, wird ein Teil abgeknapst und zur Seite gelegt. Aus dieser Reserve zahlen die Versicherer dann bei weiterhin niedrigen Zinsen die Garantien. "Die Garantien sind sicher", tönten die Versicherungsmanager erleichtert. Sie vergaßen zu erwähnen, dass nicht sie und ihre Aktionäre die Garantien erfüllen, sondern dass die Kunden mit niedrigen Zusagen für die hohen Garantien aufkommen dürfen. Ihre Überschüsse werden einfach gekürzt. Die Kunden mit vier Prozent erhalten auch dann diesen Satz, wenn das Unternehmen nur 2,5 Prozent erwirtschaftet.

Bisher haben die Gesellschaften 60 Milliarden Euro für die ZZR zurückgestellt, allein 2017 waren es 20 Milliarden Euro. Doch jetzt wächst sie den Versicherern über den Kopf. Deshalb verlangen sie eine Entschärfung der Formel. Die funktioniert bislang so: Die Versicherer müssen die Differenz zwischen den Zinsgarantien, die sie in den Büchern haben, und dem Referenzzinssatz zurückstellen. Der Referenzzinssatz ist ein Durchschnitt für die vergangenen zehn Jahre, er betrug für 2017 noch 2,54 Prozent. Selbst wenn die Marktzinsen steigen, wird der Referenzzins wegen der langen Berechnungszeit noch lange weiter sinken. Deshalb müssten die Versicherer weitere Milliarden zurückstellen. Bis 2021 erwartet die Finanzaufsicht Bafin weiter jährlich rund 20 Milliarden Euro.

Das Geld können die Versicherer nur aufbringen, indem sie ältere Anleihen, Grundstücke oder Aktien verkaufen und damit Gewinne realisieren. Dann legen sie diese Gelder schlechter verzinst wieder an. Deshalb müsse das von ihr selbst erfundene System schnell geändert werden, so die Branche. Ein neuer Mechanismus, das so genannte Korridormodell, würde die Zuführung auf ein Drittel der jetzigen Werte begrenzen. Die Finanzaufsicht Bafin unterstützt die Änderung.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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