Zeitungsbranche:Harter Tarifstreit in der Druckindustrie

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Die Druckerei des Süddeutschen Verlags in München: Hier wird nicht nur die SZ gedruckt. (Foto: Daniel Hofer)

Vor einem neuen Treffen von Verdi und Arbeitgebern bleibt wenig Hoffnung auf Einigung im Tarifstreit in der Druckindustrie. Immer wieder gibt es Streiks, die Zeitungsleser reagieren verärgert.

Von Hendrik Munsberg, München

"Wenn zwei sich streiten", so lautet eine Redensart, "dann freut sich der Dritte". Und in vielen Fällen mag das auch stimmen. Doch was den Tarifkonflikt in der deutschen Druckindustrie angeht, liegen die Dinge ein wenig anders. Bereits seit September verhandeln die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband Druck und Medien (BVDM). Eine Einigung ist bisher nicht in Sicht, seit Monaten kommt es immer wieder zu Streiks, manchmal an mehreren Tagen in Folge.

Die Streiks werden von der Gewerkschaft oft sehr kurzfristig angekündigt

Der Dritte, das sind in diesem Fall Hunderttausende Zeitungsleser, die bei jedem Streik mit teils deutlich reduzierten oder in ungewohnter Reihenfolge sortierten Ausgaben leben müssen, auch bei der Süddeutschen Zeitung. Zwar registrieren viele die Hinweise auf der Titelseite ihrer Zeitung; dort werden die "Leserinnen und Leser" auf Streiks in der Druckerei hingewiesen und um Verständnis gebeten. Doch bei zahlreichen Zeitungskäufern und Abonnenten wächst der Ärger, da nützt der Hinweis wenig, dass es auch auf elektronischen Kanälen des Verlags ein umfängliches Angebot gibt.

Wie es aussieht, könnte der Tarifkonflikt wohl noch eine Weile dauern. Das nächste offizielle Treffen beider Seiten, so Sönke Boyens, Verhandlungsführer des BVDM und Verleger der Dithmarscher Zeitung in Heide, sei für den 9. April in Hamburg anberaumt. Verdi habe bereits angekündigt, dass die Gewerkschaft auch bei dieser Verhandlungsrunde über ein Kernanliegen der Arbeitgeber "nicht sprechen" wolle - grundlegende Änderungen am Manteltarifvertrag. Verdi-Verhandlungsführer Frank Werneke bestätigt das. Er sagt: Wenn die Arbeitgeberseite "nicht mit veränderten Positionen kommt, dann ist das Gespräch ziemlich schnell beendet".

Laut BVDM sind von den Streiks bundesweit rund zehn Verlage betroffen, darunter der Süddeutsche Verlag. Üblicherweise rufen Gewerkschaften in solchen Betrieben zum Arbeitskampf auf, in denen prozentual viele ihrer Mitglieder beschäftigt sind.

Worum geht es in der Tarifauseinandersetzung? Verdi fordert fünf Prozent mehr Lohn, bezogen auf eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber haben bisher einen Zuschlag von 3,8 Prozent angeboten, plus 300 Euro extra für 30 Monate. Über Lohnfragen allein aber will der BVDM nicht verhandeln, er besteht auch auf umfänglichen Korrekturen des Manteltarifvertrags, der im Westen derzeit die 35-Stunden-Woche vorsieht. Hier streben die Arbeitgeber 38 Stunden an, also das Niveau, das heute schon in Ostdeutschland gilt. Doch dem Verband reicht das nicht, er verweist auf die schwierige wirtschaftliche Lage in großen Teilen der Branche. Der geltende Manteltarifvertrag sieht auch "Antrittsgebühren" für Sonn- und Feiertage vor sowie Zuschläge, die den Stundenlohn um 25 bis 170 Prozent erhöhen, je nach Tag und Uhrzeit. Das Weihnachtsgeld beträgt derzeit 95 Prozent eines Monatslohns, das Urlaubsgeld beläuft sich auf 70 Prozent. Der Arbeitgeberverband möchte die Zuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzen. Doch Verdi-Verhandlungsführer Werneke lehnt das vehement ab: "Auf gar keinen Fall werden wir eine Verschlechterung des Manteltarifvertrags mittragen". Als "Unsinn" weist Werneke Mutmaßungen zurück, seine harte Haltung könnte damit zu tun haben, dass er im September Verdi-Chef Frank Bsirske nachfolgen möchte. Die Linie stehe, so Werneke, das wisse der Arbeitgeberverband seit einigen Jahren.

Und woran liegt es, dass Zeitungen nach Streiktagen in deutlich reduzierter Form und dazu oft in anscheinend unsortierter Blattstruktur erscheinen? Wird da schlecht geplant? Tatsächlich werden die Streiks oft sehr kurzfristig angekündigt, mitunter ist deshalb am Vormittag noch nicht klar, welchen Umfang und welche Struktur das Blatt am Abend bei Drucklegung haben wird. Gewerkschaften sind bestrebt, ihrer Arbeitskampfmaßnahme zu größtmöglicher Durchschlagskraft zu verhelfen, darum die kurze Vorwarnzeit. Für das tägliche Zeitungsmachen bedeutet das allerdings, dass der Umfang und die Struktur des Blatts oft innerhalb sehr kurzer Zeit geändert werden müssen, mit teils gravierenden Folgen.

Aus drucktechnischen Gründen sind dabei vor allem Lokal- und Regionalteile betroffen. Im Extremfall müssen sie stark reduziert und ins Hauptblatt integriert werden - zum Verdruss der Leser. Dass Todesanzeigen plötzlich an ungewohnter Stelle erscheinen, irritiert viele zudem.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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