Yuganskneftegaz-Käufer:In der Nowotorschskaja-Straße 12B unbekannt

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Auch am Tag nach der Auktion der Yukos-Tochter Yuganskneftegaz ist nicht bekannt, wer hinter den neuen Eignern steht. Unter der offiziellen Adresse in der mittelrussischen Stadt Tver suchten russische Medien vergeblich nach Büroräumen der Baikal Finance Group.

Von Daniel Brössler und Michael Bauchmüller

Auch einen Tag nach der verwirrenden Zwangsversteigerung der größten Yukos-Tochter haben sich die neuen Eigner nicht zu erkennen gegeben. Eine zu diesem Zweck eigens gegründete Baikal Finance Group mit bislang unbekannten Hintermännern hatte in einer von russischen Beobachtern als grotesk bezeichneten Auktion für umgerechnet sieben Milliarden Euro knapp 77 Prozent am Öl-Produzenten Yuganskneftegaz erworben.

In der Nowotorschskaja-Straße im mittelrussischen Tver deutet nichts auf den Firmensitz einer milliardenschweren Finanzgruppe hin. (Foto: Foto: Reuters)

Der favorisierte halbstaatliche Gazprom-Konzern gab sich kampflos geschlagen. In Moskau wurde am Montag darüber spekuliert, ob Gazprom, andere russische Energiekonzerne oder der Kreml hinter der Briefkastenfirma Baikal Finance Group stehen.

"Kafkaeske Situation"

Der Anwalt des in Moskau vor Gericht stehenden früheren Yukos-Chefs Michail Chodorkowskij, Robert Amsterdam, sagte der Süddeutschen Zeitung, er sei "absolut sicher", dass der russische Staat hinter der Baikal Finance Group stehe. Eine andere Möglichkeit komme nicht in Betracht. "Wir erleben in Moskau eine kafkaeske Situation", sagte der Anwalt.

Russische Beobachter mutmaßten, dass die Baikal Finance Group nicht in der Lage sein werde, die Kaufsumme innerhalb der vorgegebenen Frist bis 11. Januar aufzubringen. Die Anteile fielen dann an den Staat, der womöglich eine neue Auktion ansetzen würde.

Russische Medien suchten zunächst ohne Erfolg nach Hinweisen auf die Hintermänner der Briefkastenfirma, unter deren offiziellen Adresse in der Stadt Twer kein Büro zu finden war.

Verbindung zu Baikal bestritten

In Verdacht standen neben dem halbstaatlichen Gasmonopolisten Gazprom der angeblich ausreichend liquide Konzern Surgutneftegaz sowie die Ölfirma Sibneft. Alle drei Unternehmen bestritten eine Verbindung zur Baikal Finance Group.

"Wir erwarten nicht, dass der Bieter sich rasch offenbart", sagte Oleg Maximow, Öl-Experte der Investmentfirma Troika Dialog in Moskau. Vermutlich werde dies bis zum Auslaufen der Zahlungsfrist am 11. Januar nicht geschehen.

Seiner Ansicht nach wurden ausländische Investoren im Energiesektor durch die Entwicklung um Yuganskneftegaz nicht überrascht und müssen daher ihr ohnehin vorsichtiges Verhalten nicht ändern. "Ausländische Unternehmen werden kaum russische Firmen kaufen, sondern eher auf Greenfield-Projekte setzen", sagte er.

Der Yukos-Mehrheitseigner Menatep kündigte am Montag erneut weltweit rechtliche Schritte gegen den Käufer von Yuganskneftegaz an, zeigte sich angesichts der obskuren Hintergründe des Kaufs aber auch ratlos.

"Auch wir wissen nicht, wer Yuganskneftegaz gekauft hat, deshalb können wir weder eine Klage einreichen noch Sanktionen fordern", zitierte die russische Agentur Interfax Menatep-Chef Tim Osborne.

Chodorkowskij-Anwalt kritisiert Schröder

Chodorkowskij-Anwalt Amsterdam forderte unterdessen, sich stärker mit der Rolle der Bundesregierung zu befassen. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe sich bei der Enteignung Chodorkowskijs "erschreckend passiv" verhalten, sagte Amsterdam am Rande der deutsch-russischen Konsultationen in Hamburg.

"Es ist eine Schande, dass ein Gericht in Texas nötig war, um Deutschland an internationales Recht zu erinnern", sagte er. Vergangene Woche hatte Menatep in den USA Antrag auf Gläubigerschutz gestellt. Ein Bezirksgericht in Houston hatte daraufhin einen Aufschub der Auktion verlangt.

In der Folge hatten sich die deutschen und andere Banken aus dem Yukos-Deal zurückgezogen. Mit ihrer Hilfe wollte der Energiekonzern Gazprom die Yukos-Tochter kaufen.

© SZ vom 21.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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