Würth:Die Boutique fürs Grobe

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Der Werkzeughersteller Würth eröffnet einen Laden in der Stuttgarter Fußgängerzone. Bisher hat das Familienunternehmen seine Umsätze nur mit professionellen Handwerkern gemacht. Nun will der Mittelständler neue Kunden erschließen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Es gibt wieder Hoffnung für all jene Familien, bei denen ein Shopping-Samstag früher oder später im Stress endet. Sobald der Mann wieder zu nölen beginnt, kann ihn die Frau fortan bequem in einem Etablissement abgeben, in dem er sich richtig austoben und noch Nützliches mit nach Hause nehmen kann. Der Schrauben- und Werkzeughersteller Würth hat in Stuttgart seinen ersten "Family Shop" eröffnet. Mitten in der Fußgängerzone, zwischen dem Modeladen Esprit und der Parfümerie Douglas, steht jetzt eine Bohrmaschinen-Boutique. Das ist neu für Eins- a-Innenstadtlagen, und auch für das Familienunternehmen Würth, das seine Milliardenumsätze bislang ausschließlich mit gewerbetreibenden Handwerkern macht.

Die Idee kommt vom Firmenpatriarchen Reinhold Würth, 82, und dessen Tochter Bettina, 55. "In jede Frauenhandtasche gehört ein Akkuschrauber", sagt die Vorsitzende des Stiftungsbeirats der Würth-Gruppe. Und der Herr Papa raunte schon seit Längerem: "Wir müssen unsere Marke einmal richtig emotional darstellen." Nun muss der Stuttgarter Heimwerker nicht mehr ins trostlose Gewerbegebiet am Stadtrand kurven, um in spartanisch eingerichteten Baumarkthallen sein Zeug zusammenzusuchen. Stattdessen wartet auf den Hobbytüftler in der City ein Laden mit Designereinrichtung und Loungemusik. Mittelfristig will Würth seinen Family-Shop in fünf weiteren deutschen Großstädten eröffnen.

Ob sich Obi, Bauhaus und Hornbach Sorgen machen angesichts der Konkurrenz aus dem Profisegment? Eher nicht. Zur Disruption der Baumarktbranche wird es wohl nicht kommen. Denn das Würth-Sortiment auf 170 Quadratmetern Verkaufsfläche ist begrenzt, der nächste Parkplatz ist weit, und die Preise sind deftig. Ein Akkuschrauber für 229 bis 499 Euro, für den Massenmarkt ist das nichts.

"Wir sind Premiumanbieter und kein Wettbewerber für die Baumärkte", sagt Norbert Heckmann, Geschäftsführer der Adolf Würth KG. Sein erklärtes Ziel ist es, die Marke Würth auch bei Nichtprofis bekannt zu machen und Lust am Handwerk zu wecken. "Natürlich wollen wir auch ein paar Mark fünfzig verdienen", sagt er, "aber vor allem wollen wir unser Unternehmen anfassbar machen und auch Mitarbeiter rekrutieren."

Auch im Internet betreibt der Mittelständler eine neue Verkaufsplattform

Das Unternehmen, das Adolf Würth 1945 im nord-württembergischen Künzelsau als Schraubenhandel gründete, ist in mehr als 80 Ländern aktiv und expandiert kräftig. 2016 stellte die Würth-Gruppe neue Bestmarken auf: Der Umsatz stieg um sieben Prozent auf 11,8 Milliarden Euro, das Betriebsergebnis vor Steuern um 14 Prozent auf 600 Millionen, die Zahl der Mitarbeiter um 2400 auf 71 400. Ende 2016 startete Würth seine Online-Plattform Wucato - diese wendet sich allerdings ausschließlich an gewerbliche Kunden. Dort bietet Würth nicht nur seine eigenen Produkte an, sondern vermittelt auch zwischen seinen Kunden und anderen Anbietern. Damit haben die findigen Tüftler aus Künzelsau quasi das Prinzip der Amazon-Handelsplattformen übernommen - und den US-Konzern damit ausgebremst.

Der Stuttgarter Shop soll auch Frauen ansprechen, sagt Norbert Heckmann. Schließlich seien in der Fußgängerzone 60 Prozent Frauen unterwegs. Er kündigt Mutter-Kind-Workshops an ("Wie baue ich ein Vogelhäusle"). Im Laden stehen Werkbänke für Groß und Klein, und es wird auch Männerkurse geben. Was heute das Bällebad fürs Kind ist, wird bald das Schrauber-Seminar für den Mann? "Wenn Frauen vor dem Shoppen ihren Mann bei uns abgeben", sagt Heckmann, "dann hätte ich nichts dagegen."

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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