Wolfsburg:Machtkampf bei Volkswagen

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Während der neue Großaktionär Porsche dessen Chef Wendelin Wiedeking als Vorsitzenden installieren will, möchte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff nach SZ-Informationen Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer auf dem Posten sehen.

Karl-Heinz Büschemann und Michael Kuntz

Der Sportwagenhersteller Porsche wird nach einer Mitteilung vom Freitag Ende Oktober 18,53 Prozent der VW-Stammaktien besitzen. Er ist dann größter Einzelaktionär bei Volkswagen. Den Kauf der noch fehlenden 8,27 Prozent habe sich Porsche gesichert.

Ferdinand Piëch (Foto: Foto: ddp)

Porsche strebt bei VW einen Anteil von 21,98 Prozent an. So interpretieren Finanzkreise die Mitteilung des Unternehmens, man könne noch weitere 3,40 Prozent der VW-Aktien über die Märkte erwerben. Porsche teilte aber mit, die Beteiligung werde nicht die Schwelle von 25 Prozent erreichen, bei der das Unternehmen ein öffentliches Angebot zur Übernahme von Volkswagen abgeben müsse. Zum Preis der Anteile, die von institutionellen Anlegern gekauft wurden, machte das Stuttgarter Unternehmen keine Angaben.

Porsche will drei Sitze haben

Nach Abwicklung der angekündigten Transaktion hält Porsche einen höheren Kapitalanteil als das Land Niedersachsen mit seinen 18,2 Prozent und ist damit größter Einzelaktionär. Porsche strebe "eine entsprechende Vertretung im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns" an, hieß es mit Blick auf die Aufsichtsratsmandate des Bundeslandes. Für Niedersachsen gehören Ministerpräsident Christian Wulff und Wirtschaftsminister Walter Hirche dem Gremium an, das an diesem Montag in Wolfsburg tagen wird.

Aus Automobilkreisen ist zu erfahren, dass der neue Großaktionär Porsche im VW-Aufsichtsrat drei Sitze beanspruchen will. Das soll auf der VW-Hauptversammlung am 21. April nächsten Jahres entschieden werden. Zudem wird Porsche den Aufsichtsratsvorsitz verlangen. Der Plan ist, dass der Porsche-Vorstandsvorsitzende Wendelin Wiedeking nach dem Ende der Amtszeit von Ferdinand Piëch im Jahr 2007 den Posten als Chefkontrolleur bei VW übernimmt.

Wie die Süddeutsche Zeitung aus Unternehmenskreisen erfuhr, will Wulff dagegen den ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer, der auch im Kontrollgremium von Volkswagen sitzt, zum Aufsichtsratschef machen. Porsche würde gerne die Aufsichtsratssitze von Pierer und von Klaus Liesen übernehmen. Pierer habe sich aber geweigert, seinen Posten zu verlassen.

Gespanntes Verhältnis

Das Verhältnis von Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zum niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, der dem Präsidium des Aufsichtsrates angehört, gilt als besonders gespannt. Wulff will offenbar den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch aus seinem Amt entfernen. Unternehmenskenner berichten, Wulff habe das Piëch auch persönlich gesagt.

Wulff kritisiert am früheren VW-Chef Piëch, ihm fehle für den Posten des obersten Kontrolleurs die Unabhängigkeit. Piëch ist Miteigentümer von VW-Vertriebsfirmen in Österreich und Osteuropa. Zudem ist er Mitgesellschafter der Porsche AG.

Die IG Metall hat sich allerdings hinter Piëch gestellt. "Für politisch motivierte Aktionen und Putschversuche stehen wir nicht zur Verfügung", sagte eine Sprecherin. Gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter kann Piëch nicht abgesetzt werden.

Der rechtliche Rahmen für eine Ablösung des Aufsichtsratschefs ist jedoch vorhanden: Für einen Aufsichtsrat zählt die Wahl seines Vorsitzenden zu den Dingen, die er selber regelt.

Er habe das Recht, sich umzuorganisieren, sagt der Münchner BWL-Professor Manuel Theisen. "Das ist wie im Kegelclub." Mit einer Mehrheit kann das Gremium einen neuen Vorsitzenden wählen.

Der Corporate Governance Kodex vertraut auf die Vernunft der Beteiligten: "Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitgliedes sollen zur Beendigung des Mandats führen." Für den Fall, dass Piëch sich weigert, den Aufsichtsrat zu verlassen, gibt es keine klaren Regeln.

Gerhard Cromme war zu einer Stellungnahme nicht bereit - er ist dreifach kompetent: als Vorsitzender der Regierungskommission für den Corporate Governance Kodex, als Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssen-Krupp AG und als Mitglied des VW-Aufsichtsrates.

Folgenlos bleiben Verstöße gegen den Kodex für die verantwortungsvolle Führung von Unternehmen nicht oft, heißt es in Finanzkreisen. Bei der nächsten Hauptversammlung sei mit unangenehmen Fragen zu rechnen. Die VW-Aktie notierte am Freitag mit 49,60 Euro ein Prozent im Minus. Das Bundeskartellamt hat laut Porsche grünes Licht für die Beteiligung gegeben.

© SZ vom 08.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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