Wirtschaftsweise:Neuer Chef für das Königsgremium

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Der Sachverständigenrat der "Fünf Weisen" hat einen neuen Vorsitzenden: Wolfgang Franz. Aber hat er auch noch etwas zu sagen?

Marc Beise

Ordnungspolitischer Rat, Rat überhaupt aus der Wissenschaft ist wenig gefragt in diesen Tagen, da die Politiker sich aufgefordert sehen, Banken zu retten und ganze Volkswirtschaften.

Den einen sind die Forderungen des Sachverständigenrates zu schwammig, den anderen zu neoliberal, den dritten zu kompliziert. Im Bild: Wolfgang Franz (Foto: Foto: AP)

Den Job haben sich die Regierenden rund um den Globus nicht ausgesucht, aber sie füllen ihn mit einer grimmigen Freude aus, die Angst machen kann: Werden die Staatsdiener das Heft des Handelns auch wieder aus der Hand geben, wenn sie nicht mehr die Existenz des Ganzen sichern müssen? Das kann man sich schon fragen und auch, was eigentlich nötig ist, um die Existenz des Ganzen zu sichern?

Muss dazu Opel gerettet werden, Schaeffler, Rosenthal? Wird der Staat die Schulden, die er nun macht, schnell zurückzahlen, langsam oder gar nicht? Sollen die Steuern erhöht oder gesenkt werden? Selten war wirtschaftspolitischer Rat so wertvoll wie heute. Dumm nur, dass die Politik seit Jahr und Tag vom Expertenrat die Nase voll hat.

Königsgremium der Politikberatung

Namentlich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), aber auch andere Kabinettsmitglieder und viele weitere Politiker, machen bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf aufmerksam, wie wenig sie auf die "ewig gleichen" Argumente aus der Wissenschaft geben: "Fragst Du drei Wissenschaftler, bekommst Du fünf Positionen. Was sollen wir damit anfangen?"

Der Unmut bezieht sich meist auf unbequeme und überaus selbstbewusste Professoren wie den Münchner Ifo-Präsidenten und Bestseller-Autor Hans-Werner Sinn, aber auch auf ganze Forschungsinstitute und sogar auf den vornehmen "Rat der fünf Weisen". Dieser Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, so der offizielle Titel, ist das Königsgremium der Politikberatung. Er arbeitet ausdrücklich im Auftrag der Bundesregierung, ist gleichwohl unabhängig, was in einem eigenen Gesetz festgehalten ist.

Das hat weiland Ludwig Erhard so organisiert, damals im Jahr 1963 Bundeswirtschaftsminister. Seither waren viele berühmte Ökonomen Mitglieder des Rats, und einige Gutachten wirkten gewaltig nach. So entwickelte der Rat in den sechziger Jahren Prinzipien einer nachfrageorientierten Konjunkturpolitik (die dann von Karl Schiller umgesetzt wurde), in den Siebzigern leitete er die Wende zur Angebotspolitik ein (mit deren Umsetzung es selbst unter der Union/FDP-Regierung von Helmut Kohl meist haperte). Später empfand er Gerhard Schröders "Agenda 2010" voraus.

Einmal jährlich legen die fünf Weisen ihr mehrhundertseitiges Jahresgutachten vor, an dem sie Monate lang in klausurartiger Atmosphäre im zwölften Stock des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden gefeilt haben. Der Rat ist eine Institution, die - wie ein Beobachter schrieb - zur Bundesrepublik gehört wie die Tagesschau, die Bundesliga oder der Musikantenstadel. Anders als diese Organisationen aber ist er in die Jahre gekommen.

Den einen sind seine Forderungen zu schwammig, den anderen zu neoliberal, den dritten zu kompliziert. Also wird das Gutachten regelmäßig im November von der Bundesregierung entgegengenommen - und das war's dann. Brav berichten die großen Zeitungen ausführlich, aber schon dem Fernsehen ist das Ereignis meist nur noch ein paar Bilder wert. Gelesen, gelacht, gelocht.

An diesem Mittwoch durften die Ratsmitglieder turnusmäßig der Kanzlerin und den wirtschaftrelevanten Ministern vortragen. Letzte Weisheiten über die Folgen der Finanzkrise konnten sie nicht melden, zu unklar ist die Lage. Möglicherweise, so der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz zur Süddeutschen Zeitung, werde der Rat bald ein Sondergutachten erstellen: "Wir stehen Gewehr bei Fuß." Aber auch dafür brauchte man mehr Durchblick. Geht es im Sommer schon wieder aufwärts? Kommt die eigentliche Wirtschaftskrise noch? "Wir wissen es auch nicht", sagt Franz.

Der Mannheimer Volkswirtschaftsprofessor ist von seinen Kollegen an diesem Mittwoch zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Zuvor war Kollege Christoph Schmidt zum Mitglied des Rats ernannt worden. Franz wie Schmidt sind etablierte Institutschefs. Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftforschung (RWI), Franz Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Einer, der zurückkam

Die Neuwahl war notwendig geworden, weil der bisherige Vorsitzende Bert Rürup vor Ablauf seines Fünf-Jahres-Vertrages in die Finanzwirtschaft gewechselt ist. Schmidt nimmt nun dessen Planstelle ein, mit dabei sind weiterhin Beatrice di Mauro (Universität Mainz), Peter Bofinger (Würzburg), Wolfgang Wiegard (Regensburg), und eben das alte Schlachtross Franz - erstmals 1994 im Rat und damit der Dienstälteste.

Dass Franz der neue Vorsitzende wurde, mag man als Rückbesinnung auf die neueren Traditionen des Rats werten. Bofinger ist als Nachfragepolitiker der Lieblingsprofessor der SPD, Franz ist ein ziemlich rigoroser Angebotspolitiker und bei der Union wohlgelitten. Kurioserweise kam er Mitte der neunziger Jahre auf Vorschlag der Gewerkschaften, die ebenso wie die Arbeitgeber je einen Sitz benennen dürfen, in den Rat. Dort stieß er vor allem mit seiner Forderung nach einer zurückhaltenden Lohnpolitik auf Widerspruch - auch auf den eines gewissen Oskar Lafontaine, der damals SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister war. Weshalb ihn die Gewerkschaften 1999 demonstrativ nicht mehr nominierten. Fünf Jahre später kam Franz zurück - auf Vorschlag der Arbeitgeber.

Der 1944 in Nassau an der Lahn Geborene ist Arbeitsmarktspezialist. Dieses Thema hatte er schon Anfang der siebziger Jahre in der Ausbildung in Mannheim entdeckt, als Deutschland noch in Vollbeschäftigung badete. Franz ist aber auch ein auch guter Organisator. Seit er 1997 die Leitung des ZEW übernahm, hat er dieses zu einem Spitzeninstitut ausgebaut.

Franz arbeitet mit Statistiken und ökonometrischen Methoden, spricht aber auch eine klare Sprache. So mahnt er zu einer moderaten Lohnpolitik, lehnt den gesetzlichen Mindestlohn ab und will die Investitionsbedingungen der Unternehmen verbessern. Der Rettung "aller möglichen Unternehmen" steht er sehr skeptisch gegenüber. Dieser Rat wird vielleicht noch gebraucht.

© SZ vom 05.03.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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