Wirtschaftspolitik:Separate Welten

Lesezeit: 2 min

Staatsdiener und Wirtschaftsbosse wechseln nur selten die Seiten, doch besonders prominente Beispiele sorgen für viel Aufsehen.

Nina Bovensiepen

An diesem Mittwoch tritt der Industriemanager Werner Marnette die Nachfolge von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann an. Marnette, Ex-Vorstandschef der Norddeutschen Affinerie AG, tritt damit in gewissem Sinne auch in die Fußstapfen von Werner Müller und Jost Stollmann - Männer der Wirtschaft, die sich an der Politik versuchten.

Erst entschied Alfred Tacke als Staatssekretär über Energiepolitik mit - dann wechselte er zur RAG, der heutigen Evonik. (Foto: Foto: AP)

Seitenwechsel à la Marnette sorgen regelmäßig für Diskussionen über Sinn oder Verwerflichkeit solcher Aktionen. Besonders groß ist die Empörung, wenn Politiker auf Posten wechseln, die irgendwie mit ihrer vorigen Tätigkeit zu tun haben könnten. Prominentes Beispiel hierfür ist Gerhard Schröder, der kurz nach dem Ende seiner Kanzlerzeit in den Aufsichtsrat für ein russisch-deutsches Gaspipeline-Konsortium ging.

Aufsehen erregte auch Werner Müller, der 2003 aus dem Wirtschaftsministerium zu dem Kohle- und Chemiekonzern RAG wechselte. Heikel war das insofern, weil Müller als Minister an der Verlängerung der Steinkohlesubventionen beteiligt war.

Zudem fiel in seine Amtszeit die Ministererlaubnis für die umstrittene Übernahme der Ruhrgas durch Eon. Diese Erlaubnis erteilte Müller allerdings nicht selbst, er überließ es seinem Staatssekretär Alfred Tacke - der 2004 in den Vorstand der RAG-Tochter Steag wechselte, die heute Evonik Steag heißt.

Entlassung auf Verlangen

Abgesehen von diesen hochrangigen Beispielen erfolgt der Wechsel aus dem Staatsdienst auf Wirtschafts- und andere Posten allerdings nur sehr selten. Dies legt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP nahe. Darin hatte der Abgeordnete Volker Wissing sich erkundigt, wie viele Beamte sowie Angestellte der Bundesministerien seit 2003 in die Privatwirtschaft gewechselt sind.

Aus der Antwort geht hervor, dass beispielsweise in diesem Jahr von 21.886 Beamten und Angestellten in den Ministerien des Bundes nur 28 ausgeschieden sind, das sind gerade mal 0,13 Prozent. Für die vergangenen Jahre sind die Zahlen ähnlich niedrig: Im Gesamtjahr 2007 quittierten nur 0,37 Prozent der Bediensteten in den Ministerien ihren Dienst, 2006 waren es 0,31 Prozent. Im Vergleich zur Wirtschaft ist die Fluktuationsrate in den Ministerien damit winzig - im Handel etwa lag sie 2007 bei mehr als zehn Prozent.

Ob die wenigen ausgeschiedenen Staatsdiener tatsächlich alle in Firmen oder Verbände gegangen sind, geht aus den Zahlen der Bundesregierung nicht ganz klar hervor. Dies lasse sich nicht exakt beziffern, heißt es in der Antwort des Innenministeriums, denn: "Bei einem Ausscheiden aus dem Bundesdienst werden die Beweggründe nicht erfasst." Man könne daher nur einen Überblick über ausgeschiedene Personen geben, "ohne dass darauf geschlossen werden kann, dass ein Wechsel in die Privatwirtschaft erfolgt ist."

Ein Job fürs Leben

Zugleich legt die Antwort aber nahe, dass es neben dem Wechsel auf einen attraktiven Posten in Unternehmen oder Lobbyverbände für Staatsdiener kaum Gründe gibt, ihren Job zu quittieren. Dazu heißt es in dem Schreiben: "Eine Entlassung auf Verlangen bildet bei dem auf Lebenszeit angelegten Beamtenverhältnis die Ausnahme. Auch bei Tarifbeschäftigten mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag ist die dauerhafte Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung die Regel."

Staatsdiener - für viele Menschen scheint das nach wie vor ein Job fürs Leben zu sein. Laut Wissing macht dies außerdem deutlich, dass es einen nennenswerten Austausch zwischen Staat und Wirtschaft nicht gibt. "Im Prinzip handelt es sich um zwei separate Welten ohne Berührungspunkte", sagt er.

Eine Ausnahme davon gibt es: Das sind die in einer großen Zahl von Verbänden in die Politik entsandten Lobbyisten - zwischen 2004 und 2006 sollen laut dem Bundesrechnungshof gut 300 dieser Externen in den Ministerien tätig gewesen sein. Nach der heftigen Kritik des Bundesrechnungshofes hat die Bundesregierung aber bereits deutlich gemacht, dass sie diese Seitenwechsel künftig deutlich schärfer kontrollieren will.

© SZ vom 08.07.2008/jpm/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: