Wirtschaftsmacht Bayern:Stoiber, die Bilanz

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Auch wenn Edmund Stoiber ob seiner Selbstherrlichkeit oftmals kritisiert wurde - wirtschaftspolitisch war seine Ära durchaus erfolgreich.

Marc Beise

Im Überlebenskampf der Mächtigen zählen nicht Inhalte, sondern Persönlichkeit, Popularität und Interessen.

Angela Merkel würdigte die Leistung Stoibers: Er habe Bayern mit "Laptop und Lederhose" zu dem gemacht, was es sei. (Foto: Foto: Reuters)

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ist nicht wegen einer bestimmten Politik gestürzt worden, sondern weil er den Bayern den Stolz genommen hat ("Flucht aus Berlin") und die eigenen Parteifreunde seiner Selbstherrlichkeit überdrüssig sind.

Viel zu wenig aber wird in dieser weiß-blauen Wendezeit über Stoibers wirtschaftspolitisches Vermächtnis gesprochen. Soll er seinen Nachfolgern Vorbild oder Warnung sein?

Schlagwort von "Laptop und Lederhose"

Einzig die Bundeskanzlerin hat in ihrem ersten Nachruf einen Bezug zur Wirtschaftspolitik hergestellt. Stoiber habe Großes geleistet, sagte Angela Merkel, er habe Bayern mit "Laptop und Lederhose" zu dem gemacht, was es sei.

Es spricht für Merkel, dass sie die zentrale Bedeutung der Wirtschaftspolitik würdigt; allerdings hat es fast schon Züge von Tragik, dass die Handlungen der großen Koalition den Reform-Vorgaben, die die Kanzlerin in ihren Reden setzt, nicht einmal im Ansatz Stand halten.

Der CSU-Vorsitzende Stoiber war einerseits konsequenter und andererseits genauso säumig wie die Kollegin CDU-Vorsitzende. Als Landesvater hat er Bayern seit Mai 1993 in der Summe erfolgreich regiert.

Das Erbe von Franz Josef Strauß

Zwar ist es ist nicht allein sein Verdienst, dass das Bundesland im äußersten Südosten Deutschlands gut dasteht. Der erfolgreiche Wandel vom hinterwäldlerischen Agrarstaat zum wirtschaftlichen und technologischen Kraftzentrum der Nation geht maßgeblich auf einen anderen Bayern zurück, auf Franz Josef Strauß.

Zugegebenermaßen ist der Erfolg auch umständehalber bedingt. Bayern profitierte davon, dass dort - anders als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen - wenig "alte" Industrien angesiedelt sind.

Dort, wo es sie gibt - wie in Franken -, kämpft auch Bayern mit dem Strukturwandel. Und wären nicht die großen Konzerne wie Siemens nach dem verlorenen Weltkrieg aus dem sowjetisch beherrschten Preußen nach Bayern ausgewandert, stünde der Freistaat heute nicht da, wo er steht.

Investitionen in Zukunftsfelder

Aber eine solche Chance zu nutzen, erfordert Weitsicht und Tatkraft, die Strauß und seiner CSU-Generation zu eigen war. Ebenso wenig ist es selbstverständlich - und das betrifft die Stoiber-Ära -, dieses Erbe ins Zeitalter der Globalisierung und des härteren internationalen Wettbewerbs hinüberzuretten.

Stoiber hat zur rechten Zeit das Tafelsilber des Landes verkauft, also Staatsbeteiligungen zu Geld gemacht, und die Privatisierungserlöse in Zukunftsfelder investiert. Im Umfeld der Universitäten entstanden erfolgversprechende Firmenansiedlungen, sogenannte Cluster, etwa zu Biotech, Luft- und Raumfahrt oder Ernährung.

Stoiber hat immer eine engagierte Strukturpolitik betrieben. Er hat sich um die Unternehmen gekümmert und ins Wirtschaftsleben eingegriffen, hat Firmen nach Bayern geholt und Konzerne (mit)geschmiedet - nicht immer zu deren Bestem.

Das ist klassische Industriepolitik, wie sie jeder Landesfürst betreiben muss, wie sie aber auf Bundesebene oder gar weltweit nicht funktionieren kann. Den Beweis, ob er auch Deutschland "gekonnt" hätte, hat er bekanntlich nicht angetreten.

Das Superministerium, das er sich nach der Bundestagswahl schneidern ließ, sollte der Versuch sein, mit bayerischen Methoden Deutschland zu regieren - er wäre missglückt. Stoiber wollte als Wirtschaftsminister vor allem an die Fördertöpfe ran, statt sich als Garant freien Wirtschaftens und freien Unternehmertums zu positionieren.

Keine neuen Schulden

Stoiber war aber nicht nur Industriepolitiker, sondern auch Ordnungspolitiker. Konsequenter - und sachkundiger - als viele Kollegen hat er sich auf Bundesebene immer wieder für marktwirtschaftliche Strukturen eingesetzt. Als andere, auch in der Union, immer noch dem Bürger durch weitere Wohltaten gefallen wollten, hat er auf die verhängnisvollen Konsequenzen hingewiesen, wenn man für ein augenblickliches Wohlgefühl beim Bürger die Zukunft verspiele.

Der CSU-Politiker hat stattdessen - mal mehr, mal weniger - die Angebotspolitik artikuliert, also die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmen, die letztlich die Arbeitsplätze schaffen, die Innovationen marktfähig machen und Steuern zahlen.

Legendär waren seine Auftritte bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin, als er nächtens fernmündlich ganze Heerscharen von Ministerialen in München beschäftigte und - etwa bei der Gesundheitsreform - mehrfach die Position wechselte. Nicht in der Begründung, aber im Ergebnis hatte er recht, als er dem Reformwerk nicht traute, das mittlerweile auch von anderen Akteuren für Murks gehalten wird.

Ausgeglichener Haushalt

Wiederholt hat Stoiber für eine große Steuerreform plädiert, für eine Konsolidierung der Haushalte, für Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, für den Abbau von Bürokratie. Manches hat er umzusetzen begonnen, nicht alles gelang.

Etwa in der Bildungspolitik, wo er durch die überhastete Einführung der um ein Jahr verkürzten Gymnasialzeit die Schulen ins Chaos stürzte. Dafür ist er der Verwaltung zu Leibe gerückt, was ihm sehr übel vermerkt worden ist. Als er 2003 auf dem Höhepunkt seiner Popularität war, ausgestattet mit der absoluten Mehrheit, hat er gegen alle Widerstände einen harten Sparkurs eingeleitet, für 2006 einen ausgeglichenen Haushalt geplant und erreicht - also das Ende neuer Schulden. Damit steht Bayern bundesweit einmalig da.

Ja, die Deutschen können vom Stoiber-Freistaat lernen. Auch wenn ihnen das angesichts der manchmal unerträglichen bayerischen Überheblichkeit ziemlich schwer fällt.

© SZ vom 20.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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