Wirtschaftskriminalität:Unethisch? Kein Problem

Lesezeit: 2 min

Jeder vierte deutsche Chef ist zu unsauberen Geschäftspraktiken bereit. Wenn es der eigenen Karriere dient oder dem Betrieb über eine schwache Phase hilft, finden Manager es in Ordnung, auch andere Mittel einzusetzen. Und davon gibt es einige.

Von Katharina Kutsche, München

Das eigene Management mit falschen Infos versorgen, Externe täuschen, Fehlverhalten anderer ignorieren - das alles findet jeder vierte deutsche Chef völlig in Ordnung, wenn es darum geht, seine Karriere voranzutreiben oder sich sonst einen Vorteil zu verschaffen. Diese traurige Aussage ergibt sich aus einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die an diesem Mittwoch vorgestellt wurde.

Befragt hat EY 4100 Manager aus 41 Ländern, darunter 100 Entscheidungsträger aus Deutschland. Nach wissenschaftlichen Maßstäben ist die Studie also nicht repräsentativ. Trotzdem ist bemerkenswert, mit welchem Selbstverständnis in einigen Unternehmen geführt wird. Da ist es wenig überraschend, dass nur ein Drittel der Führungskräfte erklärte, die Ethikstandards im eigenen Betrieb seien sehr hoch. Bei den deutschen Entscheidern waren es sogar nur 23 Prozent.

Birgit Galley ist Direktorin der School of Governance, Risk & Compliance (SGR) und ausgebildete Betrugsermittlerin. Sie sieht das Ergebnis der Studie trotz der geringen Teilnehmerzahl als ein Bild, das zum Nachdenken anrege. Vor allem "ein Bild, das wir von Managern oder auch Politikern haben wollen", sagt Galley. "Wie will man es so schaffen, Compliance als Haltung zu sehen und nicht nur als Haftungsvermeidung?"

Compliance, das unternehmensinterne Regeln und Prüfen von ethischem Verhalten, soll eigentlich ganz oben beginnen. Mit Führungskräften, die als Vorbilder dafür stehen, dass es im Unternehmen sauber zugeht. Daher ist interessant, dass in der EY-Studie jeder zweite befragte deutsche Manager angab, ihm sei im eigenen Betrieb bereits unethisches Verhalten aufgefallen. Und immerhin sieben Prozent behielt diese Beobachtungen für sich, weil sie Druck von oben bekamen. Andere Gründe, warum die Befragten Betrugs- oder Korruptionsfälle im eigenen Laden nicht melden würden: Loyalität gegenüber den Kollegen, Angst um die eigene Sicherheit, Angst um die eigene Karriere. Nur zwei von fünf Befragten erklärten, sie würden Fehlverhalten auf jeden Fall melden.

Wie sie das tun können, ist allerdings nicht jedem bekannt. In vielen großen Unternehmen gibt es inzwischen Hotlines, über die Mitarbeiter anonym Hinweise auf Straftaten und sonstige Unsauberkeiten geben können. Ohne dieses Insiderwissen ist es sowohl für Firmen wie auch für Ermittlungsbehörden schwierig, die Verantwortlichen zu identifizieren und windige Geschäftspraktiken zu verhindern. In der EY-Studie sagten jedoch nur sieben Prozent der deutschen Manager, dass sie von solch einem Meldesystem in ihrem Betrieb wissen. "Das ist traurig, denn als Manager sollten sie Teil des Hinweisgebersystems und selbst ansprechbar sein", sagt Compliance-Expertin Galley. Das Ergebnis verwundere sie nicht: So ein Meldesystem sei schließlich schnell eingerichtet. Wichtiger sei, wie man Ethik im Unternehmen lebt.

In der Studie von Ernst & Young antworteten rund zehn Prozent der Befragten, Barzahlungen und persönliche Geschenke an Entscheider können gerechtfertigt sein, wenn es dem Unternehmen mal schlechter ginge. Auch Regulierungsbehörden zu täuschen, geht für jeden zehnten deutschen Chef in Ordnung. In absoluten Zahlen sind das dann zwar nur zehn der 100 Befragten. Doch egal, wie hoch die Quote ist, sagt Birgit Galley: "Wenn sie über null ist, ist sie zu hoch."

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: