Wirtschafts-Nobelpreis:Die Macht der Erwartungen

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Er räumte mit dem alten Märchen auf, Politiker hätten zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit zu wählen. Jetzt erhielt Edmund Phelps für seine Forschung den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Nikolaus Piper

Der Wirtschafts-Nobelpreis ging in den vergangenen Jahren häufig an Spezialisten, deren Arbeiten auch nur einem relativ kleinen Teil der Fachleute geläufig waren - Ökonometrikern etwa oder Finanzmarkt-Spezialisten.

Mit dem Wirtschafts-Nobelpreis 2006 ausgezeichnet: Edmund Phelps (Foto: Foto: AP)

In diesem Jahr hat es dagegen einen der Stars erwischt, mit dem sich auch jeder Student der Volkswirtschaftslehre befasst haben sollte: Edmund S. Phelps von der Columbia-Universität. Seine Arbeiten, die meisten sind schon über 30 Jahre alt, haben einen bleibenden Einfluss auf die praktische Politik gehabt.

Ziel war ein stabilen Geldwert

Beispiel Geldpolitik: Im Vertrag von Maastricht haben die EU-Mitglieder die Europäische Zentralbank (EZB) verbindlich damit beauftragt, für einen stabilen Geldwert zu sorgen - und sonst für nichts. Dies war allerdings alles andere als selbstverständlich, wie die Kritik an der EZB zeigt. Besonders Politiker aus dem linken Spektrum verlangen von der Notenbank, sich auch um mehr Beschäftigung zu kümmern.

Edmund Phelps' Forschungen zeigten dagegen bereits 1967, dass eine Notenbank auf Dauer gar nichts gegen die Arbeitslosigkeit tun kann. Der damals 34-jährige Ökonom setzte sich mit der in den sechziger Jahren gängigen Vorstellung auseinander, dass die Politiker die Wahl zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit hätten; berühmt wurde seinerzeit Bundeskanzler Helmut Schmidt mit dem Satz, ihm seien fünf Prozent Inflation lieber als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.

Theorie und Realität passten nicht zusammen

Der Zusammenhang wurde bereits 1957 formalisiert in der so genannten Philips-Kurve. Diese makroökonomische Theorie, so stellte Phelps fest, passte mit der Realität ebenso wenig zusammen wie mit der Mikroökonomie, also mit der Theorie einzelwirtschaftlichen Verhaltens, wie es in der Universität gelehrt wurde. Also bemühte er sich um eine "Mikrofundierung der Makroökonomie".

Phelps' Lösung des Problems hieß: Zeit. Die künftige Inflation hat nicht nur mit dem Stand der Beschäftigung zu tun, sondern auch mit den Inflationserwartungen. Das kommt daher, dass Entscheidungen über Preise und Löhne in den Firmen nicht kontinuierlich getroffen werden, sondern in unregelmäßigen Abständen und dass die Unternehmer dabei auf ihre eigenen Erwartungen angewiesen sind.

Würde die Notenbank also ganz bewusst Inflation zulassen, um die Nachfrage anzukurbeln, könnte es durchaus sein, dass die Beschäftigung steigt. Der Effekt wäre aber nur von kurzer Dauer, denn die Unternehmer würden die höheren Preise für die Zukunft einkalkulieren, der Nachfrage-Effekt wäre dahin und die Arbeitslosigkeit würde wieder steigen.

Diesen Zusammenhang goss der Ökonom in eine "Erwartungs-Philips-Kurve". Es gibt, so formulierte es Phelps, eine "natürliche Arbeitslosenquote", die nicht von der Geld- und Finanzpolitik abhängt, sondern allein davon, wie effektiv der Arbeitsmarkt funktioniert, wie schnell also das Arbeitsangebot auf Änderungen der Nachfrage reagiert und umgekehrt.

Der Faktor Zeit spielte bei Phelps auch noch in einem anderen Zusammenhang eine Rolle: Er formulierte eine "goldene Regel der Kapitalbildung", die für Gerechtigkeit zwischen den Generationen sorgen sollte.

Ziel ist, das nachhaltig erzielbare Konsumniveau zu erreichen

Ziel ist es, das Konsumniveau zu erreichen, das nachhaltig zu erreichen ist. Die ist dann möglich, so errechnete Phelps, wenn die Sparquote einer Volkswirtschaft so groß ist wie der Anteil der Kapitaleinkommen am gesamten Volkseinkommen.

Phelps wurde 1933 in Chicago geboren, mitten in der Weltwirtschaftskrise. Seine Vater arbeitete in der Werbewirtschaft, seine Mutter war Ernährungswissenschaftlerin. Später zog die Familie in die Nähe von New York, wo Phelps aufwuchs und zur Schule ging.

Phelps studierte in Amherst und Yale

Er studierte Ökonomie, zunächst in Amherst, später in Yale, wo er mit vielen bedeutenden Wissenschaftlern zusammentraf, etwa dem späteren Nobelpreisträger James Tobin, Arthur Okun, William Fellner und Henry Wallich. Von dem in Deutschland geborenen Wallich, der später im Rat der amerikanischen Zentralbank Fed saß, lernte er die kritische Auseinandersetzung mit dem Problem der Inflation. Von ihm habe er auch zum ersten Mal den Begriff "natürliche Arbeitslosenquote" gehört, schrieb Phelps später.

Nach der Promotion ging Phelps zur berühmten Rand Corporation, einer konservativen Denkfabrik in Kalifornien. Dort fehlte ihm aber der "akademische Stimulus", stellte er fest. Er ging zurück nach Yale, zur Universität von Pennsylvania, wo er seinen Ruf als international bedeutender Ökonom etablierte, und schließlich zur Columbia Universität.

"Neuer Keynsianer"

In den siebziger Jahren stand Phelps mitten in den akademischen Debatten um die Abkehr von den Lehren des John Maynard Keynes und den Wiederaufstieg des streng marktwirtschaftlichen Denkens. Phelps galt als "neuer Keynsianer", hatte aber auch mit dem Monetaristen Milton Friedman von der Universität Chicago zu tun und mit dem ebenfalls in Chicago lehrenden Robert Lucas, der, in scharfem Gegensatz zu Keynes, die Theorie der "rationalen Erwartungen" formulierte.

In den achtziger Jahren hielt sich Phelps zu längeren Forschungsaufenthalten in Europa auf, zunächst in Mannheim, später in Florenz und Paris. Dabei untersuchte er vor allem den Anstieg der Arbeitslosigkeit in den großen europäischen Industriestaaten.

© SZ vom 10.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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