Wirtschaft in Thailand:Ein Land trägt Schwarz

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Nach dem Tod des Königs müssen auch deutsche Firmen in Thailand mit Einschränkungen umgehen - etwa bei der Werbung.

Von Arne Perras

Alles Poppige und Knallige ist in Thailand gerade eine Provokation. Vor einer Woche ist dort König Bhumibol Adulyadej gestorben. Seither herrscht Staatstrauer, die auf ein ganzes Jahr angesetzt wurde. Wer also sein Geld mit farbenfroher Freizeitmode verdienen möchte und seine Geschäfte in Thailand betreibt, kann erst mal einpacken. Zumindest in der ersten Trauerphase gelten knallige Farben als provokativ und nach Ansicht der Königsvertreter als respektlos. Entsprechend schlecht sind derzeit die Absatzmöglichkeiten für alles Farbenfrohe. Die Nachfrage nach schwarzem Tuch hingegen ist schlagartig gestiegen. Nicht nur Modeunternehmen, die ganze Wirtschaft bekommt das Ereignis zu spüren. Wenn ein ganzes Land in Trauer versinkt, bleibt das nicht ohne Folgen für eine Ökonomie.

Ganz normale Werbespots gelten in diesen Tagen als unpassend

Deutsche Firmen in Thailand liefern vor allem Hardware und entkommen damit größeren Schwierigkeiten. Zum Beispiel Technik für den öffentlichen Nahverkehr (Siemens) und für die Automobilindustrie (Schaeffler und Bosch). Andere wiederum, wie die Firma Hansgrohe, verkaufen Armaturen für Bäder und Küchen, und das vor allem für gehobene Ansprüche. Hans-Jürgen Kalmbach, der das Asiengeschäft des Traditionsunternehmens betreut, gibt sich optimistisch und rechnet nicht mit einer Beeinträchtigung. Thailand entwickle sich derzeit zwar nicht so rasant wie andere Regionen Asiens. "Aber das Land bleibt ein wichtiger Wachstumsmarkt, in den wir weiter investieren." In den vergangenen fünf Jahren erzielte die Firma dort ein Umsatzwachstum von durchschnittlich zwölf Prozent. Bisher konzentriert sich das Unternehmen vor allem auf die Ausstattung von Luxusimmobilien und profitiert davon, dass Kunden deutsche Qualität suchen und schätzen. Mittelfristig zielt Hansgrohe stärker auf die wachsenden Mittelklassen. Weil in Thailand die Urbanisierung und der Tourismus voranschreiten, ist das Land trotz aller politischer Turbulenzen für das Unternehmen attraktiv, zumal sich von Bangkok aus auch noch die Märkte in weniger entwickelten Nachbarstaaten, etwa Laos und Kambodscha, erschließen lassen.

Rushhour in Thailands Hauptstadt Bangkok: Die Nachfrage nach dunkler Kleidung ist rasant gestiegen. (Foto: Issei Kato/Reuters)

Trotzdem gibt es deutliche Einschränkungen: Werbung etwa fällt weitgehend aus. Nach einem Bericht der Bangkok Post erwartet der Verband der Medienagenturen einen Rückgang der Werbeausgaben im vergangenen Quartal um fünf Prozent. Wenn ein Unternehmen während der Trauerphase gewöhnliche Werbespots schaltet, wird dies vom Volk als unpassend empfunden. Lokale und internationale Firmen passen deshalb ihre Marketing-Strategien an. Viele konzentrieren sich vorerst ganz auf Kondolenz-Anzeigen und warten ab.

Auch die politische Situation ist unsicher, das Land ist gespalten, die Kräfte der Modernisierung haben im Laufe der Jahre eine Kluft aufgerissen. Alte königsnahe Eliten, vor allem in Bangkok, sehen ihre Pfründen bedroht, seitdem sich die ehemals armen Massen im Norden und Nordosten zunehmend emanzipieren. Der Konflikt entlädt sich im Kampf um die Regierung. Vereinfacht gesagt ringt das Lager des gestürzten Shinawatra-Clans, der sich mit populistischer Politik eine breite Wählerbasis gesichert hat, schon seit Jahren gegen traditionelle Kräfte, die ihren Einfluss mittels einer geänderten Verfassung und neuer Wahlregeln retten wollen.

Das Militär, das sich 2014 an die Macht putschte, um die Grabenkämpfe zu beenden, rechtfertigt seine Kontrolle damit, Thailands Einheit und Monarchie zu schützen. Die alten Eliten betrachten die Generäle als Garanten dafür, dass ihre Interessen gewahrt bleiben. Doch der Konflikt, der von der Militärmacht eher unterdrückt als gelöst wird, hat seinen Preis: In einer Einschätzung des Auswärtigen Amtes vom März 2016 heißt es: "Die politische Krise des Landes hat nach wie vor einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung Thailands."

Unternehmer sprechen zwar häufiger davon, dass der Putsch eine gewisse Grundstabilität gesichert hat. Gleichzeitig aber belastet die Militärherrschaft das bilaterale Verhältnis zu Deutschland. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen gestoppt wurden. "Langfristig ist dies für beide Volkswirtschaften negativ", sagt ein deutscher Insider in Bangkok, der nicht namentlich zitiert werden möchte.

Nun steuert Thailand nach dem Tod des Monarchen in eine neue Ära. Der Kronprinz ist zum Nachfolger bestimmt, doch gekrönt wird er frühestens in einem Jahr. Die Militärregierung hält außerdem an ihrem Versprechen fest, 2017 Wahlen zu organisieren. Analysten haben davor gewarnt, dass weitere Verunsicherungen negative Konsequenzen für Investitionen und Wachstum haben werden. "Es ist schwer, optimistisch auf Thailands Wirtschaftsaussichten zu blicken, solange das politische Bild nicht klarer wird", schrieben Analysten der Beratungsfirma Capital Economics kurz vor dem Tod des Königs. Nicht alle aber teilen die Skepsis: Song Sen Wung, Analyst der CIMB Bank, erwartet einen planbaren Übergang: "Weil das Militär die Kontrolle hat, werden wir wahrscheinlich ökonomische und politische Stabilität haben."

Die deutsch-thailändische Handelskammer möchte in der Phase der Trauer über Chancen und Risiken nicht offen reden, viele Firmen schweigen jetzt lieber. Daran zeigt sich, wie sensibel die Zeiten sind. Allerdings gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass deutsche Unternehmen angesichts der Unwägbarkeiten nach dem Tod des Königs ihr Engagement in Thailand grundsätzlich überdenken.

Die Generäle hatten gleich nach dem Putsch versprochen, die Wirtschaft zu fördern. Doch davon ist bisher wenig zu sehen. Das Wachstum lag im ersten Halbjahr bei 3,5 Prozent und damit nach Einschätzung von Experten weit hinter den Möglichkeiten. Der wichtige Zweig der herstellenden Industrie legt seit Jahren kaum noch zu. Investoren warten ab. Vergleichsweise gut geht es aber dem Tourismus, der trotz aller Krisen der vergangenen Jahre weiter wächst. Selbst wenn die Trauerphase einen leichten Dämpfer verursachen sollte, ist nicht zu befürchten, dass die Urlaubsindustrie auf Dauer leidet. Denn vor allem für asiatische Touristen ist Thailand ein zunehmend attraktives Ziel, das treibt die Besucherzahlen nach oben. 2015 waren es 30 Millionen, in diesem Jahr dürften es noch mal drei Millionen mehr werden.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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