Wettbewerbshüter: Monopolkommission:"Haltet den Dieb"

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Die Monopolkommission schützt den Wettbewerb in der freien Marktwirtschaft. Doch wer steckt dahinter? Zum Beispiel: Christiane zu Salm. An diesem Dienstag muss sie sich mit Strom und Gas auseinandersetzen.

Marc Beise

Wenn Angelika Westerwelle von Kassel nach Bonn fährt, jeden Monat einmal, dann begleiten sie die guten, aber leicht ratlosen Wünsche ihres Hauses.

Christiane zu Salm gehört auch zur Monopolkommission: Irgendwo im Bundeswirtschaftsministerium muss es einen Ministerialen geben, der Spaß hat an überraschenden Berufungen. (Foto: Foto: dpa)

Im Hauptberuf ist die resolute Managerin Geschäftsführerin des Mittelständlers RMG, der mit Messtechnik rund 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht. Zugleich ist Westerwelle Mitglied der Monopolkommission, einer ehrwürdigen, aber in der Öffentlichkeit wenig bekannten Institution.

Einer Institution allerdings, der der Gesetzgeber Bedeutung beimisst. Die fünf Mitglieder werden auf vier Jahre vom Bundespräsidenten ernannt, und sie sind beauftragt, die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen zu beraten.

In einer Marktwirtschaft, in der Bürger und Firmen frei wirtschaften können sollen, darf niemand so viel Macht erlangen, dass er den anderen seinen Willen aufzwingen kann.

Feines Ausbalancieren der Kräfte

Schon gar nicht darf einer Monopolist werden, also einziger nennenswerter Anbieter einer Ware oder Dienstleistung. Je größer und einflussreicher ein Marktteilnehmer aber wird, desto mehr wächst die Versuchung, Macht zu missbrauchen.

Es ist die Aufgabe der Monopolkommission, hier rechtzeitig "Haltet den Dieb" zu rufen. Da eine große Volkswirtschaft aber nicht nur aus Mittelständlern bestehen kann, sondern auch die großen Konzerne braucht, geht es um ein feines Ausbalancieren der Kräfte.

Wie man das macht, davon haben Westerwelles Kollegen allenfalls eine leise Ahnung. Also begnügen sie sich damit, beeindruckt zu sein vom staatstragenden Job der Geschäftsführerin.

Wenig vorstellen unter dem Amt, das sie heute ausübt, konnte sich vor einem Jahr auch Christiane zu Salm. Es ist noch nicht lange her, da war die Medienmanagerin und -unternehmerin für allerlei bunte Schlagzeilen gut.

Innerhalb weniger Jahre war die Verlegertochter mit Betriebswirtschaftsstudium in führende Positionen der deutschen Unterhaltungsindustrie aufgestiegen: erst als Geschäftsführerin des Musiksenders MTV Europe, dann als Miteigentümerin des Privatsenders tm3 (heute 9Live), dessen umstrittene telefonische Gewinnspielchen sie reich machten.

Mittlerweile hat sie den Münchner Medien-Jetset Richtung Berlin verlassen und mischt in der dortigen Kunstszene mit. Und nun: Wettbewerbsschützerin, wer hätte das gedacht? Sie selbst am allerwenigsten. Irgendwo in dem komplexen und verschwiegenen Bundeswirtschaftsministerium muss es einen Ministerialen geben, der Spaß hat an überraschenden Berufungen.

Sofort zugesagt

Er hat der Monopolkommission erkennbar einen Generationenwechsel verpasst: Vier der fünf Mitglieder sind höchstens 50 Jahre alt und maximal drei Jahre im Amt. Keiner der Neuen weiß so genau, warum die Wahl auf ihn fiel - alle aber haben sofort zugesagt: Dabei treibt sie offenkundig weniger die Geltungssucht als das Interesse am Funktionieren der Wirtschaft. Eine Entlohnung gibt es nicht, die Aufwandsentschädigung ist minimal: Der Job ist ein Ehrenamt.

Medienexpertin Salm bringt praktische Erfahrung in einem Bereich mit, in dem Wettbewerb und seine Grenzen ein großes Thema sind. Peter-Michael Preusker weiß als ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutschen BP um die Besonderheiten der Energiemärkte.

Und die beiden Professoren im Gremium, der Wirtschaftsrechtler Daniel Zimmer aus Bonn und der Wettbewerbsökonom Justus Haucap aus Düsseldorf, kennen die rechtlichen und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Zwei Wissenschaftler, die die übliche Kluft zwischen Juristen und Ökonomen überwinden, die um Praxisnähe bemüht sind und dennoch nicht jede Maßnahme für gut heißen, die im quirligen Berlin geboren wird.

So kann Zimmer sich trefflich über die eilfertigen staatlichen Rettungsversuche für Opel erregen, und Haucap warnt die Politik explizit davor, "die großen Unternehmen zu retten und die kleinen nicht". Beide kritisieren die Tendenz, einzelne Märkte zu regulieren und dabei die Wirtschaft insgesamt aus den Augen zu verlieren - Beispiel Abwrackprämie.

Bei den Sitzungen der Kommission im alten Regierungsviertel in Bonn wird kräftig diskutiert, noch mehr aber zugehört, wenn die Firmen-Delegationen aus den Branchen vorgeladen sind, um die sich die Kommission bevorzugt kümmert: Telekommunikation, Post, Elektrizität und Gas, Eisenbahn.

Als Ergebnis dieser Anhörungen schreibt das Dutzend hauptamtlicher Mitarbeiter, meist aufstrebende Juristen und Ökonomen, denen der Job als Sprungbrett in die Ministerien oder die Wirtschaft dient, Vorlagen, die die drei Herren und zwei Damen dann zu Gutachten formen - so das "2. Sondergutachten Strom und Gas 2009", das an diesem Dienstag im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt wird.

Es geht um einen Bereich, in dem große Spieler und mächtige Interessen unterwegs sind und die Rechte des Endverbrauchers geschützt werden müssen.

Mit den Jahren ist die Monopolkommission, deren Berichte früher manchmal viel Wirbel entfachten, womöglich etwas in die Jahre gekommen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird sie heute öffentlich weniger beachtet als früher. Dafür berichten ihre Mitglieder, dass sie häufiger als früher als Sachverständige zu Anhörungen des Bundestages eingeladen werden.

Wer sich freilich vorstellt, ab und an würden die Fünf von der Kanzlerin, die doch erklärtermaßen auf Expertenrat Wert legt, zum Tête-a-tête geladen, täuscht sich: Mehr als Papier möchte die Kanzlerin vom Gremium offenbar nicht sehen.

Dass ihre Institution dennoch heute wichtiger ist denn je, davon sind die Mitglieder überzeugt. Ganz sicher gehören seit der Finanzkrise Staatseingriffe zum politischen Alltag, nach dem Motto "Einer geht noch" folgt Aktion auf Aktion. Sagt der Jurist Zimmer: "Ich fürchte, dass die Anwälte des Wettbewerbs es jetzt schwerer haben werden. Es gibt eben den Reflex, in schwierigen Zeiten dem Staat besonders viel zuzutrauen. Aber das ist gefährlich."

© SZ vom 04.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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