Weltwirtschaft:Die neue globale Ordnung

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Weltbank, G8 und Co.: Jahrzehntelang konnten Industriestaaten untereinander die Regeln der Weltwirtschaft ausmachen. Jetzt verschieben sich die Gewichte, doch die Institutionen bleiben sich treu: Wenn es um den eigenen Einfluss geht, ist das Beharrungsvermögen der Nationen groß - zu groß.

Michael Bauchmüller

Die Erosion findet an verschiedenen Stellen zugleich statt. Beispiel Weltbank: Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, wagen die offene Konfrontation mit der Weltbank-Spitze - und lassen deren ungeliebten Präsidenten über eine Affäre stolpern.

Beispiel Internationaler Währungsfonds: Der dümpelt, in Ermangelung ernsthafter Finanzkrisen, an der Grenze der Bedeutungslosigkeit herum - während sich die ersten Mitglieder davonmachen. Beispiel G8: Da werkeln die Diplomaten des Industriestaaten-Clubs Tag und Nacht an einem Schlussdokument, das abermals nicht die Welt verändern wird - oder kann sich noch irgendjemand an den "Petersburger Aktionsplan" vom vergangenen Jahr erinnern? Oder an konkrete Ergebnisse des Gleneagles-Gipfels? Und was geschah gleich noch in Sea Island 2004?

Das Gefüge bekommt Risse

Jahrzehntelang konnten Industriestaaten untereinander die Regeln der Weltwirtschaft ausmachen. Ihre Welt lag im Kalten Krieg, ihre Macht stand nicht in Frage, ihre Clubs waren klein und einflussreich.

Jetzt bekommt das Gefüge Risse: Die Globalisierung raubt der globalen Ordnung von einst die Bedeutung. Doch während sich die Gewichte von Jahr zu Jahr verschieben, bleiben sich die Institutionen treu: Wenn es um den eigenen Einfluss geht, ist das Beharrungsvermögen der Nationen groß - zu groß.

Nur so lässt sich erklären, warum Länder wie Italien und Kanada als G-8-Mitglieder immer noch in der selbst ernannten ersten Liga der Weltwirtschaft spielen, die Chinesen dagegen auf die Zuschauertribüne verbannt sind. Das wird den Einfluss des Gremiums ganz sicher nicht erhöhen.

Nur so lässt sich auch erklären, dass die USA nach wie vor ein Vetorecht in Währungsfonds und Weltbank haben - obwohl sie damit sehenden Auges den Einfluss beider Organisationen aushöhlen.

Das Veto wird nämlich vor allem dazu genutzt, ein Abschaffung desselben und eine Neuordnung der Stimmrechte zu verhindern. Die Folge: Aufstrebende Nationen wenden sich zunehmend ab. Nicht von ungefähr arbeiten die Tigerstaaten Asiens an einem eigenen Währungspool, treiben Länder Lateinamerikas die Idee einer eigenen "Südamerika- Bank" voran.

Nur der schöne Schein zählt

Wenn die Diplomaten nicht noch Wunderdinge vollbringen, wird auch der G-8-Gipfel in Heiligendamm nur ein weiteres Dokument der Erosion. Seit Jahren übertünchen die Schlusserklärungen mit Müh' und Not die Differenzen - zwischen Europäern und Amerikanern, zwischen Russen und Europäern, zwischen Amerikanern und Russen. Nur deshalb beschäftigen sich die Staatenlenker neben dem Konfliktherd Klimaschutz auch mit dem Sympathiethema Afrika.

Wie schon im schottischen Gleneagles können sie sich so zumindest auf einen "Durchbruch" für Afrika herausreden, wenn sie sich am Klimaschutz die Zähne ausbeißen. Was zählt, ist der schöne Schein; Entscheidungen von ökonomischer Tragweite werden in diesem Zirkel bestenfalls vorbesprochen.

Die Liste der Gemeinsamkeiten wird eher kürzer - in dem Maße, in dem sich der Wettlauf um die Weltmärkte verschärft. Absurderweise führt gerade der Widerstand gegen diese Entwicklung die G8 nur noch tiefer in die Bedeutungslosigkeit. Gerade weil sie als starkes Bündnis auftreten wollen, bleibt ihnen nur der kleinste gemeinsame Nenner. Alles andere machte die Brüche offenbar.

Im besten Sinne multilateral

Die Krise der Institutionen muss kein Schaden sein. Die Weltwirtschaft erlebt schlicht den Bedeutungsverlust der konsortialen Führung. Vor allem Entwicklungsländer haben sie immer - und nicht ganz zu Unrecht - als Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln betrachtet.

Wo aber Konsortien nicht mehr dauerhaft eine Ordnung für alle auswürfeln können, werden sich neue Formen der Zusammenarbeit ergeben müssen. Stärker als bisher werden Allianzen entlang kurzfristiger Interessen entstehen. Wo das bisherige Modell nicht mehr funktioniert, wird die Ordnung der Weltwirtschaft im besten Sinne multilateral ausgehandelt.

Das birgt die Chance einer "gerechteren" Ordnung, aber auch neue Unsicherheiten. Nirgends zeigt sich dieser Prozess besser als in der Welthandelsorganisation.

Keine andere globale Institution gibt den einzelnen Ländern so viel Mitsprache, keine andere hat nur annähernd solche Resultate erbracht. Gerade deshalb (und nicht aus ihrer Schwäche heraus) kommt die Organisation aber auch nur so mühsam voran: Weil jedes neue Handelsabkommen tatsächlich Folgen in den Unterzeichnerländern hat, ob für bayrische Milchbauern oder bangladeschische Näherinnen. Weil es nicht so rasch verpufft wie eine G-8-Erklärung.

Die Integration der Weltwirtschaft gräbt an den Fundamenten der G8

Während die G8 und die Bretton-Woods-Schwestern IWF und Weltbank ihren Einfluss schwinden sehen, gibt die Welthandelsorganisation der globalen Ökonomie so tatsächlich einen Rahmen. Sogar einen, der Sanktionen bereithält für Staaten, die gegen die Spielregeln verstoßen.

Mehr noch: Die Integration der Weltwirtschaft und ein stetig wachsender Welthandel graben an den Fundamenten der G8. Sie engen den Gestaltungsspielraum der Staats- und Regierungschefs ein, global wie national.

Ist es zu viel verlangt, sich mit der eigenen Schwäche zu befassen? Den G-8-Staaten würde rasch klar werden, dass sie den Einfluss ihres Gremiums nur retten werden, wenn sie Dissens zulassen statt zwanghaft Formelkompromisse zu schmieden, wenn sie sich obendrein für weitere Staaten öffnen.

Und Weltbank und IWF werden nicht darum herumkommen, sich zu demokratisieren, wollen sie ihren Einfluss behalten. Millionen Arbeitnehmer haben in den vergangenen Jahren lernen müssen, dass Globalisierung ihnen Flexibilität abverlangt. Die Institutionen der globalen Wirtschaft haben diese Lektion noch vor sich.

© SZ vom 19. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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