Weltwirtschaft:Angriff auf die Staatskasse

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Vor dem Treffen mit Donald Trump ließ Russlands Präsident Putin im großen Stil amerikanische Staatsanleihen verkaufen. Washington steht nun unter Druck - denn große Gläubiger wie China könnten nachziehen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Angela Merkel hat nach einem enttäuschenden Treffen mit US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr eine klare Ansage gemacht. "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen", sagte die Bundeskanzlerin damals. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Dass die Worte Merkels nicht ungehört verhallt sind, beweist nun ausgerechnet ein Europäer von außerhalb der EU: Der russische Präsident Wladimir Putin macht sich gerade unabhängig von Trumps schärfster Waffe, dem Dollar. Und auch jenseits von Russland, vor allem in China, dem größten Gläubiger der USA, wird darüber nachgedacht, den Amerikanern den Geldhahn zuzudrehen.

Aktuelle Zahlen des US-Finanzministeriums belegen, dass Russland einen großen Teil seiner amerikanischen Staatsanleihen abgestoßen hat, mit denen sich Washington an den Finanzmärkten Geld leiht. Nach Informationen der Welt hat Moskau im Mai diesen Jahres 69 Prozent seiner amerikanischen Staatsanleihen verkauft. Bereits im April seien die Bestände an US-Bonds halbiert worden. Damit hat Russland innerhalb von zwei Monaten amerikanische Papiere im Wert von mehr als 81 Milliarden US-Dollar verkauft. Zwar ist Russland wirtschaftlich gesehen ein Zwerg im Vergleich mit den USA. Doch das Signal ist unübersehbar. Man stellt sich Trump entgegen, wo er langfristig am schmerzhaftesten angreifbar ist: beim Dollar.

Das Treffen in Helsinki am Montag dieser Woche: Donald Trump lobte sich vor allem selbst – während sein Gesprächspartner Wladimir Putin zuvor bereits im Geheimen Fakten geschaffen hatte. (Foto: Brendan Smialowski/afp)

Der US-Präsident hat in seiner bisherigen Amtszeit keine Rücksicht auf Verbündete und Handelspartner genommen. Er hat Verträge zerrissen, Allianzen gekündigt und Fakten verdreht mit dem Ziel, Deals zu schließen, bei denen es nur einen Gewinner geben soll: die USA. Bisher haben die Gegenreaktionen Trump nicht bremsen können. Das kann sich absehbar ändern. Die ausländischen Gläubiger der USA schicken sich an, das weltweite Finanzsystem, das auf der Basis des amerikanischen Dollar funktioniert, zu unterminieren. Sie reduzieren ihre Bestände an US-Bonds, legen Geldreserven in Gold an und versuchen, Geschäfte in alternativen Währungen wie Euro oder Yuan abzuwickeln. Alles läuft darauf hinaus, sich von der Gnade des US-Präsidenten unabhängig zu machen. Und zugleich Trump in die Schranken zu weisen, in dem man die Vorherrschaft des Dollars angreift, den Trump als Waffe nutzt.

Bei den russischen Verkäufen gehen Analysten und Finanzexperten davon aus, dass die Verkäufe politisch motiviert sind. Russland wolle sich unabhängiger vom Dollar machen und seine Devisenreserven alternativ anlegen, heißt es. Die Verkäufe fallen zeitlich zusammen mit den im April von Washington unerwartet verhängten Sanktionen gegen den russischen Aluminiumkonzern Rusal. Der Konzern musste erfahren, dass er dadurch keine Zinsen mehr auf seine Dollar-Anleihen leisten konnte. Für die russische Führung in Moskau wiederum wurde klar, dass die Abhängigkeit von einem unsteten US-Präsidenten gravierende ökonomische Folgen haben kann.

Auch China und die Europäer denken darüber nach, sich unabhängiger vom Dollar und damit von Trumps Zöllen und Sanktionen zu machen. An der Börse in Shanghai werden bereits die Ölgeschäfte in Yuan gehandelt. An den US-Anleihen hält Peking zwar noch fest. Aber einen Vorgeschmack auf das, was passiert, wenn sich China von den Bonds trennen will, lieferte Anfang Januar ein Gerücht. Damals behaupteten Insider, Vertreter der chinesischen Führung hätten empfohlen, die Käufe von US-Staatsanleihen zu verringern oder gar zu stoppen, auch wegen der Handelsstreitigkeiten. Sofort fiel der Dollar, und der Euro stieg. Und, was für Washington besonders wichtig ist: Zehnjährige US-Staatsanleihen verteuerten sich spürbar. Das war eine doppelt schlechte Botschaft. Eine höhere Rendite im freien Handel macht tendenziell die Refinanzierung der Staatsschuld für den jeweiligen Staat teurer. Das wiederum dürfte sich auf das Konsumverhalten der Amerikaner auswirken.

China hält fast ein Fünftel aller von Ausländern gehaltenen Bonds. Die USA schulden dem Land fast 1300 Milliarden Dollar. Trump werde sich "sehr gut überlegen", ob er riskieren wolle, dass Peking diese Bonds abstoße, hieß es am Donnerstag in Europa. Er könnte gezwungen sein, über steuerliche Maßnahmen gegenzusteuern, was den wirtschaftlichen US-Aufschwung bremsen dürfte.

Noch ist der Euro keine wirkliche Alternative zur Dollar-Dominanz. Der Anteil Amerikas an den weltweiten Devisenreserven liegt noch immer bei 62 Prozent, der Euro liegt nur bei 20 Prozent. Das kann sich aber ändern, wenn große Länder wie China und Russland ihre Bestände verändern und stärker auf alternative Währungen setzen. Die Europäer könnten das befördern, in dem sie etwa darauf dringen, mehr Öl- und Gasgeschäfte mit Russland in Euro abzuwickeln. Bisher gibt es dazu keine offiziellen Verlautbarungen. Auch auf Nachfrage wollte sich die Bundesregierung am Donnerstag nicht äußern. Bisher werden die Geschäfte mit Russland vor allem in Dollar abgewickelt. Aufgrund des enormen Handelsvolumens würde der Umstieg auf Euro die Währung der Europäer deutlich stärken. Damit läge das Schicksal der Europäer, wie von Merkel gefordert, ein Stück weit mehr in den eigenen Händen.

Nicht zuletzt zeigt auch das US-Auftreten im Konflikt um das Atomabkommen mit Iran, wie Washington das weltweite Zahlungssystem politisch missbraucht. Die Androhung von Sanktionen gegen alle Banken und Unternehmen, die mit Iran Geschäfte machen, ist deshalb so wirkungsvoll, weil Washington jederzeit den Stecker ziehen und jegliche Finanz- und Zahlungsströme unterbinden kann. Teheran will das nun umgehen und 300 Millionen Euro bar aus Deutschland nach Iran transportieren - die USA protestierten empört.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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