Weltfinanzgipfel:Washington - ein Anfang

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Die Erwartungen an den Weltfinanzgipfel waren enorm. Am Ende jedoch fehlte ein klares Schuldeingeständnis - vor allem von den USA. Aber es gab eine Einigung light.

Nikolaus Piper

War es sinnvoll, dass 20 Regierungschefs für viel Geld um die halbe Welt flogen, nur um fünf Stunden miteinander zu reden und ein Papier mit guten Absichten zu unterzeichnen, das im Großen und Ganzen schon vorher feststand? Ja, es war sinnvoll.

Während des Weltfinanzgipfels spricht US-Präsident George W. Bush zu den Regierungschef der ebenfalls beteiligten Länder (Foto: Foto: AFP)

Nicht dass der Weltfinanzgipfel in Washington revolutionäre Ergebnisse erzielt hätte. Das war auch gar nicht zu erwarten. Aber das Treffen der G-20-Staaten hat einen Prozess in Gang gesetzt, an dessen Ende eine neue und auf die Realitäten des 21. Jahrhunderts abgestimmte Form der globalen Wirtschaftszusammenarbeit stehen könnte.

Gemeinsame Prinzipien

Ob am Ende dieses Prozesses tatsächlich ein Erfolg stehen wird, ist offen. Umso wichtiger ist es daher, sich vorab darüber klarzuwerden, was in Washington erreicht worden ist - und was nicht.

Was eindeutig fehlte, war zum Beispiel ein klares "Mea Culpa". Das Gipfel-Kommuniqué räumt zwar in wunderbarem Diplomaten-Englisch ein, dass "in einigen fortgeschrittenen Ländern" die Behörden auf den Aufbau von Risiken in ihren Finanzinstitutionen nicht "angemessen" reagiert hätten.

Es wäre für die Weltöffentlichkeit erfrischend gewesen, hätte man an der Stelle Ross und Reiter genannt. Zum Beispiel so: "Die Vereinigten Staaten haben die Krise ausgelöst, weil sie unfassbare Exzesse in ihrem Kreditwesen zugelassen haben.

Die anderen Industrieländer haben dazu beigetragen, weil sie gar nicht erst versuchten, die neuen Entwicklungen auf den Finanzmärkten zu verstehen und daraus Konsequenzen zu ziehen." Nach einem solchen Schuldeingeständnis hätten die Schwellenländer, die entweder gar nicht oder nur am Rande zur Krise beigetragen haben, leichter ihrer neuen Verantwortung in der Weltwirtschaft gerecht werden können.

Die Rolle dieser Schwellenländer ist die andere große Leerstelle im Schlusskommuniqué. Es war von vorneherein klar, dass es diesmal auch auf China, Brasilien, Indien und andere Staaten ankommt, die man früher einmal zur sogenannten Dritten Welt rechnete.

Genau deshalb wurde der Gipfel ja nicht auf den Club der großen Industrieländer, die G 7, beschränkt, sondern auf die größere G 20 ausgeweitet. Brasilien ist ein Land, das wirtschaftspolitisch in den vergangenen Jahren fast alles richtig gemacht hat und nun trotzdem durch die Krise destabilisiert wird. Chinas unterbewertete Währung, seine Handelsüberschüsse und Ersparnisse haben Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft geschaffen und so der Krise eine besondere globale Dimension gegeben.

Wie gut und wie schnell die globale Rezession beendet wird, hängt nun auch davon ab, ob die Volksrepublik ihre Verantwortung als Kapitalüberschussland wahrnimmt und, zum Beispiel, dem Internationalen Währungsfonds mehr Geld gibt.

Große Unterschiede

Erreicht worden ist in Washington dagegen, dass sich alle Beteiligten auf die Themen einigten, die sie bei der Neuordnung des Weltfinanzsystems in den nächsten Monaten behandeln wollen. Mehr noch: Sie verständigten sich auf gemeinsame Prinzipien, an denen sie diese Reform ausrichten wollen und darauf, dass die nationalen Bankaufsichtsbehörden in internationalen Gremien zusammenarbeiten.

Das ist nicht wenig. Noch vor einem Jahr, als Deutschland den Vorsitz in der G-7-Gruppe hatte, redeten Europäer und Amerikaner beim Thema Finanzmarktregulierung aneinander vorbei.

Es sollte aber auch keine Illusionen geben. Wenn es konkret wird, sind die transatlantischen Unterschiede riesig. Das zeigt sich allein schon darin, wie die verschiedenen Delegationen die Gipfelergebnisse ihren nationalen Öffentlichkeiten vermittelten. In Europa war meist davon die Rede, dass nun die Finanzmärkte "lückenlos überwacht" werden sollten, in Amerika sehr viel allgemeiner nur davon, dass man der Weltwirtschaft "helfen" wolle.

Die Gefahr einer Blockade ist nicht von der Hand zu weisen. Auf der einen Seite Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit seinen hochfliegenden Plänen für eine Weltfinanzaufsicht, auf der anderen Seite Amerikaner (und im Zweifel wohl auch Briten), die sich um die Finanzplätze New York und London sorgen und daher notwendige Regulierungen verhindern könnten.

In dem Streit liegen beide Seiten falsch. Es wäre einerseits grotesk, würde man sich nur mit ein paar Minireparaturen am Finanzsystem begnügen. Andererseits sprechen all die Versäumnisse der Bank- und Börsenaufseher im Vorlauf der Krise dagegen, jetzt in neuen Superbehörden das Heil zu suchen.

Viele Hoffnungen ruhen nun auf dem neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Zu Recht, denn er hat sich als Wahlkämpfer beim Thema Wirtschaftskrise klug und besonnen verhalten, und er hat ein Team ausgezeichneter Wirtschaftsberater.

Trotzdem sollte man nicht zu viel erwarten, wenn der nächste Weltfinanzgipfel Ende April in London zusammentritt - gerade einmal 100 Tage nach Obamas Amtsantritt. Was das Zeitmaß für die Reformen im Finanzsystem betrifft, könnte das Vorbild eher die berühmten Konferenz von Bretton Woods vom Juli 1944 werden, an die in diesen Tagen so oft erinnert wird. Für deren Erfolg waren immerhin drei Jahre Vorarbeit notwendig.

© SZ vom 17.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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